Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Okt. 20.- 24.) 185
die Hoffnungen der liberalen Parteien auf eine liberale Mehr-
heit gescheitert und haben vielmehr ins gerade Gegenteil umge-
schlagen.
20. Oktober. (Deutsches Reich.) Der Reichskanzler läßt
durch ein Zirkular sämtliche deutsche Generalkonsuln, Konsuln und
Vizekonsuln darauf aufmerksam machen, daß sie ihre eigentliche und
vornehmste Aufgabe in der Förderung des deutschen Handels und
dem Schutz der Reichsangehörigen zu suchen, dagegen sich jeder po-
litischen Tätigkeit, wie solche von den Konsuln anderer Mächte
nicht selten angeregt zu werden pflegen, zu enthalten haben.
20. Oktober. (Preußen.) Prinz Wilhelm, der älteste Sohn
des Kronprinzen und eventuelle Thronfolger, soll auf Anordnung
des Kaisers von dem Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg
Staatsminister Dr. Achenbach in regelmäßigen Arbeitsstunden prak-
tisch in die Verwaltung eingeführt werden, um ihm eine eingehende
Übersicht über die verschiedenen Zweige der Staatsverwaltung, ihre
Bedeutung, ihre Abgrenzung und ihre Ziele zu verschaffen.
22. Oktober. (Württemberg.) Vertrauensmänner der sog.
deutschen (gemäßigt liberalen) Partei treten zahlreich in Stuttgart
zusammen, um über das Verhalten der Partei bei den bevorstehen-
den allg. Landtagswahlen zu beraten.
Die Stimmung der Versammlung wird als eine, trotz der Erfolge
der radikalen Volkspartei in letzter Zeit, keineswegs niedergeschlagene ge-
schildert. Die Verfassung ist in hohem Grade revisionsbedürftig und das
wird von allen Parteien anerkannt, auch von der sogen. deutschen Partei;
nur will diese die Revision nicht wie die Volkpartei überstürzen und rechnet
dabei auf den gesunden Sinn der Schwaben, die „nicht tiefer ins Wasser
gehen, als sie Grund sehen."
23. Oktober. (Preußen.) Der Kronprinz antwortet dem
Berliner Magistrat auf dessen Glückwünsche zu seinem Geburtstage,
er benütze gern den Anlaß, um „aufs neue auszusprechen, wie er
der Hauptstadt und ihrem großen, in stetig fortschreitender Entwick-
lung begriffenen, musterhaft verwalteten Gemeinwesen lebhafte
Teilnahme allezeit unverändert bewahre“.
24. Oktober. (Deutsches Reich.) Bundesrat: verlängert
den kleinen Belagerungszustand für Hamburg und Umgegend um
ein Jahr.
24. Oktober. (Preußen.) Angesichts der bevorstehenden
definitiven Landtagswahlen steigert sich die Differenz der Anschau-