Allgemeine Chronik. XXIII
1.Juli. [Frankreich.] Die Kammer lehnt einen Antrag ihres Justizaus-
schusses, die Regierung zu ermächtigen, unter Aufhebung der Unabsetz-
barkeit mißbeliebige Richter nach Belieben abzusetzen und die Zahl
der Richter an den einzelnen Gerichten ebenso zu vermindern, mit
279 gegen 237 Stimmen ab.
5. Juli [England — Ägypten.] Der englische Admiral von Alexandrien
verlangt die Einstellung aller Befestigungsarbeiten am Hafen und den
Forts und droht im Weigerungsfalle die letzteren zu bombardieren.
Frankreich lehnt seine eventuelle Beteiligung am Bombardement ab.
[Bulgarien.] Der Fürst ernennt ein neues Ministerium und sieht
sich veranlaßt, darin das Präsidium und das Ausw., sowie das
Innere zwei höheren russischen Militärs Skoboleff und Kaulbars zu
übertragen.
9. Juli [Österreich- Ungarn: Ungarn.] Die Regierung sieht sich neuerdings
zu einer energischen Verfügung gegen die fortwährende antisemitische
Agitation veranlaßt.
[England.] Das Unterhaus erledigt endlich die langwierigen De-
batten über die neue irische Zwangsbill gegen die äußerste Obstruk-
tion der Parnelliten und genehmigt sie schließlich fast einstimmig.
Das Oberhaus stimmt ohne weiteres zu.
11. Juli [England — Ägypten.] Die französische Flotte hat den Hafen von
Alexandrien verlassen. Die englische Flotte bombardiert die Forts,
wobei auch das europäische Ouartier zerstört wird. Arabi öffnet die
Gefängnisse und läßt die Verbrecherhorden auf die Stadt los. Der
Khedive stellt sich gegen die Nachstellungen Arabis unter den Schutz
der Engländer. Arabi zieht die weiße Fahne auf und verläßt mit
seinen Truppen die Stadt, um sich am Knotenpunkt der Bahn nach
Kairo zu verschanzen. England hat den Knoten durchhauen.
11. Juli [Schweiz.] Die föderalistischgesinnten Konservativen erkennen in
dem Bundesbeschluß vom 14. Juni einen entscheidenden Schritt im
Sinne des Unitarismus und beschließen, gegen denselben das Refe-
rendum zu ergreifen und dazu eine allgemeine Agitation ins Werk zu setzen.
15. Juli [Deutsches Reich: Preußen.] Der neue preußische Gesandte beim
Papst hat bis jetzt noch gar nichts erreicht: Preußen wird, der Sach-
lage ganz entsprechend, von der Kurie rein dilatorisch behandelt.
[Die Mächte — Pforte — England.] Die Mächte fordern die Pforte
in aller Form auf, in Ägypten zu intervenieren, jedoch nur unter
strikten Bedingungen. Die Pforte lehnt den Antrag entschieden ab.
Die ersten 4.000 Mann englischer Truppen landen in Alexandrien
und besetzen die Stadt.
16. Juli [Österreich- Ungarn.] Die bisherige provisorische Zolllinie zwischen
Österreich-Ungarn und den okkupierten Provinzen wird aufgehoben.
17. Juli [Deutsches Reich: Preußen.] Eine Immediateingabe der rheini-
schen Katholiken, welche die Rückkehr des abgesetzten Erzbischofs Mel-
chers von Köln erzwingen wollen, wird von der Regierung abschlägig
beschieden.
19. Juli [Frankreich.] Die Kammer bewilligt einen vom Ministerium
Freycinet geforderten Kredit für die Flotte im Berage von 8 Mill.
mit 340 gegen 66 Stimmen unzweifelhaft mit Rücksicht auf die
ägyptischen Dinge, aber erklärtermaßen ohne damit ihre Zustimmung
zu einer Intervention aussprechen zu wollen, wozu er auch nicht
ausreichen würde. Der Senat bewilligt den Kredit einstimmig.