Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

194 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Ende Okt.) 
armenverbände, häufig von auswandernden Personen Dienst- und Arbeits- 
verhältnisse vor dem Ablauf der betreffenden Kontrakte aufgegeben oder ver- 
pflegungsbedürftige Angehörige ohne Sicherung ihrer Existenz zurückgelassen 
werden, hat das Reichsamt nun die verbündeten Regierungen ersucht, Er- 
hebungen darüber anzustellen, ob und in welchem Umfange Übelstände der 
gedachten Art in den Einzelstaaten vorgekommen sind. 
Der Unfallversicherungs-Gesetzentwurf stößt auf neue Schwie- 
rigkeiten und scheint einer dritten Bearbeitung entgegen zu gehen. 
Den ersten Entwurf, welcher die Versicherung der Arbeiter durch eine 
Reichsanstalt erreichen wollte, hat der Reichskanzler seiner Zeit im Reichs- 
tage als unausführbar bezeichnet. Der zweite, der Kommission des Reichs- 
tags zur Beratung vorliegende Gesetzentwurf, welcher die Versicherung „kor- 
porativen“ Genossenschaften der einzelnen Betriebszweige nach Gefahrenklassen 
in dem Rahmen der größern Verwaltungsbezirke übertrug, würde, wie man 
ausgerechnet hat, die Bildung von 2.000 sehr ungleichen Verbänden erfordern, 
was fast unmöglich ist. Jetzt wird offiziös angedeutet, die Vorschläge der 
Beteiligten gingen dahin, an Stelle der fachgewerblichen, wirtschaftlichen Ge- 
nossenschaften Bezirksgenossenschaften zu bilden. Danach wären für die vor- 
handenen Verwaltungsbezirke in den Bundesstaaten, also z. B. für Preußen 
in jedem Regierungsbezirke, je eine solche Genossenschaft zu errichten, in 
denen sich alle daselbst befindlichen Gewerbe vereinigen. Auf solche Art 
würde man anstatt der gegenwärtig geplanten 2.000 Verbände deren nur 
etwa 75 erhalten.“ Es ist vorerst noch nicht zu erkennen, wie es bei solchen 
Genossenschaften bewirkt werden soll, was doch durchaus gefordert werden 
muß, daß die Entschädigungsbeiträge sich nach Maßgabe der Gefahrenklassen 
verteilen, und zwar nicht bloß im allgemeinen nach Betriebsklassen, sondern 
genau nach der individuellen Gefährlichkeit der einzelnen Betriebsanstalten. 
Neben diesen Bedenken ist auch die Erwägung von Gewicht, daß zwar 75 
Verbände sich besser von der Zentralstelle leiten lassen, als 2.000, daß aber 
zugleich die Gefahr eines zu großen Übergewichts der bürokratischen Zen- 
tralisation über die korporative Selbstverwaltung damit wächst. 
Seit einiger Zeit beschäftigen sich französische Blätter vielfach 
mit der deutschen Marine. Die „Revue militaire de l’etranger“ 
widmet ihrem Anwachsen einen längeren Artikel, den sie mit den 
Worten schließt. 
„Man ersieht aus dem von uns mitgeteilten Schiffsverzeichnis, daß 
Deutschland schon heute zu den Seegroßmächten gerechnet werden muß. 
Wenn es heute seine Flagge so häufig auf den verschiedensten Meeren zeigt 
und von kleinen Staaten, über welche die deutschen Konsuln Klage zu führen 
haben, Genugtuung erzwingt, so kann man sicher sein, daß seine Rolle sich 
nicht auf solche Nebensächlichkeiten beschränken und daß es im gegebenen 
Augenblicke kühn an der Seite der anderen Seemächte, England, Frankreich 
und Italien, sich seinen Platz nehmen wird." 
— Oktober. (Preußen.) Den neuernannten geistlichen Schul- 
inspektoren in den westlichen Provinzen geht aus dem Kultus- 
ministerium die Ernennungs-Urkunde gleichlautend in folgender 
Fassung zu: 
„Wir ernennen Ew. Hochw. hiermit auf Grund des Gesetzes vom 
11. März 1872 zum Lokalschulinspektor der katholischen Volksschule zu ... 
 
	        
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