212 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Nov. 23—24.)
müsse. Von einer ordentlichen Branntweinsteuer verlautet noch immer nichts,
dagegen ist eine Erhöhung der Holzzölle angekündigt und ein Verbot der
Einfuhr des amerikanischen Schweinefleisches schon eingebracht.
Darüber herrscht in Hamburg große Aufregung. Die betreffenden Firmen
haben eine Kommission erwählt und diese hat eine ausführliche Denkschrift
an den Bundesrat gerichtet. Im großen und ganzen werden die Schweine
in Amerika mit großer Reinlichkeit und Sauberkeit behandelt und Gesund-
heitsrücksichten sind es nicht, die für ein unbedingtes Einfuhrverbot geltend
gemacht werden können, sonst würde England, welches in diesem Punkte
sehr aufmerksam ist, gewiß mit einem Eingangsverbote vorangegangen sein,
und Gesundheitsrücksichten könnten auch nur dazu führen, eine strengere Kon-
trole über die Einfuhr auszuüben. Zwei Abgeordnete der Hamburger Kom-
mission haben in Berlin mündlich ihre Vorstellungen gemacht, haben aber
die Überzeugung gewonnen, daß das Einfuhrverbot beschlossene Sache sei.
23. November. (Deutsches Reich.) Bundesrat: verlängert
den kleinen Belagerungszustand für Berlin und Umgegend um ein
weiteres Jahr.
23. November. (Preußen.) Die gelegentlich der letzten Land-
tagswahlen zwischen dem rechten und linken Flügel der Fortschritts-
partei (Häuel und Eug. Richter) ausgebrochene Differenz wird zu-
nächst innerhalb der fortschrittlichen Fraktion des preuß. Abgeord-
netenhauses mit 17 gegen 13 und mit 20 gegen 11 Stimmen gegen
den Führer des linken Flügels entschieden. Richter erklärt, daß er
in Folge dieses Entscheides zwar nicht aus der Fraktion austrete,
aber an der Repräsentation der Fraktion, speziell dem Vorstande,
keinen Teil mehr nehmen könne und insbesondere von der Leitung
der Wahlen, so weit sie den preußischen Landtag betreffen, zurück-
trete. In der fortschrittlichen Fraktion des Reichstags liegen jedoch
die Dinge für Richter günstiger.
24. November. (Preußen.) Abg.-Haus: die Regierung legt
demselben ihre Verordnung vom 26. August vor, durch welche sie
Lauenburg die Einführung der Kreisverfassung oktroyirt hatte, da
dieselbe in der Form eines Gesetzentwurfes vom Abg.-Hause vor
Ende seiner letzten Session wegen Beschlußunfähigkeit nicht mehr
hatte diskutiert resp. genehmigt werden können, und verlangt ein-
fache Gutheißung desselben. Die Regierung erleidet jedoch eine kleine
Niederlage, indem die Vorlage behufs Prüfung ihrer Verfassungs-
mäßigkeit und Opportunität an eine Kommission gewiesen wird.
Den Entscheid dafür gibt das ultramontane Zentrum, und die Kon-
servativen bleiben in der Minderheit. Die Regierung hatte eine
solche Unfreundlichkeit seitens des neuen Abg.-Hauses allerdings
nicht erwartet. An der schließlichen Genehmigung der Verordnung
wird inzwischen nicht gezweifelt.