Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

214 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Nov. 27—28.) 
bez. der Gesandtschaft beim Papste stimmen zu wollen. Voriges 
Jahr hatten sie ihre Zustimmung dazu ausdrücklich verweigert. 
Man muß daher wohl annehmen, die Partei sei der Ansicht, daß 
in der Auffassung der kirchenpolitischen Frage im Schoße der Re- 
gierung eine Änderung eingetreten sei, die ihr die Zustimmung er- 
mögliche. 
27. November. (Hessen.) Eine von der Regierung zur 
Prüfung der sog. Überbürdungsfrage der Schüler an den Gym- 
nasien etc. eingesetzte Sachverständigen-Kommission kommt zu einem 
ganz ähnlichen Resultat wie die Sachverständigen von Elsaß-Loth= 
ringen (s. Mitte Okt.) 
28. November. (Deutsches Reich.) Bundesrat: erledigt die 
Etatsberatungen und beschließt nach dem Antrage des Reichskanzlers 
dem Reichstag den Etat für 1883/84 und zugleich, gewissermaßen 
probeweise, denjenigen für 1884/85 zugehen zu lassen. Württemberg 
und Oldenburg stimmen dagegen, da dies dem Sinn und Geist 
der Verfassung widerstreite. Die Mehrheit ist jedoch der Ansicht, 
daß es sich mit dem Buchstaben der Verfassung durchaus vereinigen 
lasse. Die vom Reichstag wiederholt abgelehnten zweijährigen Etat 
sollen damit tatsächlich angebahnt, wenigstens soll die praktische 
Möglichkeit derselben dargelegt werden. Daß der Reichstag darauf 
eingehe, wird freilich von keiner Seite für wahrscheinlich gehalten. 
28. November. (Preußen.) Abg.-Haus: die Regierung bringt 
nunmehr die Vorlage für Aufhebung der 4 untersten Klassensteuer- 
stufen und die Deckung des dadurch entstehenden Ausfalles durch 
eine Lizenzsteuer auf Tabak und Branntwein, Wein und Bier ein. 
In den Motiven dazu bringt die Regierung diese, wie man vor- 
läufig schon weiß, nur provisorisch und bis der Reichstag dieselbe Maßregel 
in größerem Umfange und für das ganze Reich bewilligt haben werde, gedachte 
Steuer aus- drücklich mit der weiteren Fortsetzung der Steuerreform im Reich 
in Verbindung: „Die Staatsregierung wird bezüglich der Reichssteuerreform 
an den von ihr verfolgten Zielen festhalten und hofft die Notwendigkeit 
derselben zu allgemeiner Anerkennung zu bringen, indem sie durch Vorlegung 
besonderer Gesetzentwürfe, welche die gründliche Beratung und Erledigung 
jedes einzelnen Gegenstandes im Zusammenhange mit wünschenswerten or- 
ganischen Neuordnungen ermöglichen, die Bedürfnisse klarstellt, zu deren Be- 
friedigung auch für Preußen der weitere Ausbau der dem Reiche vorbe- 
haltenen indirekten Besteuerung unerläßlich ist. . . . Der Umstand, daß der 
Verbrauch geistiger Getränke und des Tabaks in Denutschland im Vergleiche 
zu anderen Ländern noch nicht in einem der Ergiebigkeit dieser Steuer- 
quellen entsprechenden Maße besteuert ist, hat das Augenmerk der Reichs- 
regierung bei der weiteren Ausdehnung der indirekten Reichsbesteuerung 
vorzugsweise auf diese Steuerobjekte gelenkt, und der Reichsvertretung ge- 
machte Vorlagen haben sich bekanntlich bereits auf diesem Gebiete bewegt.
	        
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