Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dez. 15.- 17.) 239 
Wie im Reichstage in Sachen der Gewerbeordnung etc., so geht auch 
im preuß. Abg-Hause die reaktionäre Strömung bereits weit über die Ten- 
denzen der Regierung hinaus. 
15. Dezember. (Elsaß-Lothringen.) Die von der Re- 
gierung bez. der bisherigen Gebahrung und der hieraus erwachsenen 
finanziellen Lage der Straßburger Tabakmanufaktur angeordnete 
Untersuchung scheint geschlossen zu sein. Der bisherige Direktor 
Roller wird seiner Stelle enthoben und der Tabakfabrikant Langel 
an seine Stelle gesetzt. Die alte französische Fabrikations- und Ver- 
kaufsmanier scheint wieder eingeführt werden zu wollen. Jedenfalls 
ist die versuchte Konkurrenz mit der deutschen privaten Manufaktur 
aufgegeben. 
16. Dezember. (Deutsches Reich.) Graf Herbert Bismarck 
besucht Wien und wird vom Grafen Kalnoky empfangen, wie er 
14 Tage vorher in England gewesen und von Lord Granville em- 
pfangen worden war, beidemal kaum in bloßen Privatinteressen. 
Gleichzeitig beginnen die offiziösen deutschen und österreichischen 
Blätter, in der allgemeinen Debatte über das österreichisch-deutsche 
Bündnis, die seither immer noch lebhaft fortgegangen ist, abzuwiegeln. 
Was der deutsche Reichskanzler durch die Erörterungen, zu denen er 
unzweifelhaft den Anstoß gegeben, eigentlich bezweckt hat, ob einen Wink 
nach Rußland oder nach Österreich oder noch nach anderen Seiten hin, ist un- 
klar geblieben. Am wahrscheinlichsten ist es nachgerade geworden, daß es 
vorzugsweise gewissen Staatsmännern und gewissen Strömungen in Öster- 
reich galt und daß dieses gewarnt werden sollte, bei der Stange zu bleiben. 
Jedenfalls nimmt man an, daß er seinen Zweck erreicht habe und daß da- 
her jetzt wieder abgewiegelt werden könne. 
17. Dezember. (Preußen.) Abg.-Haus: die Nat.-Liberalen 
bringen bei demselben den Antrag ein, die Staatsregierung um 
baldigste Vorlage eines Gesetzentwurfes zu ersuchen, durch welchen 
1) der Stempel für Kaufverträge über inländische Grundstücke und 
Grundgerechtigkeiten von 1%, 2) der Stempel für Pacht- und Miet- 
verträge von 1/3 % angemessen ermäßigt, und 3) der Stempel für 
Verträge, welche die Übertragung eines bestehenden Pacht- und 
Mietverhältnisses auf eine andere Person als Pächter oder Mieter 
zum Gegenstande haben, auf 1½ Mark bestimmt werde. 
Als Gründe hierzu führen die Antragsteller gleichmäßige Verminde- 
rung der Belastung des ländlichen und städtischen Grundbesitzes, und Besei- 
tigung der Ungewißheit und Ungleichheit bezüglich der Höhe des zu solchen 
Verträgen zu verwendenden Stempels an. Der Antrag hat insofern beson- 
deres Interesse, als er der erste positive Schritt und zwar von national- 
liberaler Seite zur Entlastung des Grundbesitzes ist. 
— (Deutsche Presse.) Das Verhältnis Deutschlands zu
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.