242 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dez. 20.)
tum richtig und konstalirt, daß auch die Katholiken dasselbe willig aner-
kennten in der Hoffnung, daß auch ihnen volle Parität bewiesen werde. Er
spricht sogar seine Freude über das Poschinger'sche Werk aus, das der beste
Beweis für die Festigkeit des deutsch-österreichischen Bündnisses sei, und
wünscht gleichfalls, daß auch die anderen Staaten, namenllich Sachsen, dem
Beispiele Preußens folgen möchten.
Die Tatsache, daß die ultram. Katholiken immer und immer wieder
auf das „evangelische Kaisertum“ zurückkommen und dasselbe nicht ver-
schmerzen können, ist bezeichnend und begreiflich. Das römische Kaisertum
deutscher Nation hatte von Anfang an eine entschieden kirchlich-politische Be-
deutung und behielt sie bis zuletzt, wenn auch fortwährend schwächer und
schwächer. Die Katholiken betrachteten den Kaiser auch nach der Kirchen-
trennung als ihren speziellen Hort und gewissermaßen als ihren Vorkämpfer
und als den Hort und Schirm des Papsttums. Diese Periode liegt hinter
uns abgeschlossen, die Geschichte ist darüber endgültig. hinweggeschritten.
Die Führung der deutschen Nation im weitesten Sinne des Wortes ist von
Österreich auf Preußen, von dem überwiegend katholischen Süden auf den
überwiegend protestantischen Norden übergegangen. Der neue deutsche Kaiser
ist nicht mehr ein Vorkämpfer der katholischen Kirche und das neue Deutsche
Reich hat gar kein Interesse an einer weltlichen Herrschaft des römischen
Papstes, die zugleich mit der Geburt des neuen Deutschen Reichs endgültig
beseitigt wurde. Nur insofern haben die Ultramontanen Recht mit ihren Pro-
testationen gegen das „evangelische Kaisertum“, als der Ausdruck nur negativ
richtig ist. Das Kaisertum ist nicht mehr ein „katholisches“ , d. h. ein Hort
des Katholizismus gegen den Protestantismus, aber es soll nicht etwa jetzt
umgekehrt ein Hort und Vorkämpfer des Protestantismus gegen den Katho-
lizismus sein. Der moderne Staat ist vielmehr entschieden paritätisch
und das Kaisertum soll es auch sein und ist es auch.
20. Dezember. (Preußen.) Abg.-Haus: der Minister des
Innern v. Puttkamer bringt bei demselben drei sehr umfangreiche
Gesetzesentwürfe angeblich behufs „Vereinfachung“ der Selbstver-
waltungs-Organisation in den alten Provinzen ein und macht die
Annahme derselben zur Bedingung der Ausdehnung der letzteren
auch auf die neuen Provinzen.
Kurz zusammengefaßt, sind die Änderungen, welche gegen den bis-
herigen Zustand getroffen werden sollen, im Wesentlichen folgende: 1) Be-
seitigung der Scheidung zwischen streitigen und nicht streitigen Verwaltungs-
sachen, und infolge dessen 2) die Beseitigung der Bezirks-Verwaltungsgerichte
als selbständiger Organe, oder wie sich die Motive ausdrücken, die Wieder-
vereinigung der getrennten Behörden in der Bezirksinstanz. An die Spitze
dieser neuen Behörde soll der Regierungspräsident treten; außer diesem sollen
derselben angehören zwei ernannte Beamte, deren einer als ständiger Ver-
treter des Regierungspräsidenten den Titel „Verwaltungs- gerichtsdirektor"
führen soll, und vier gewählte Mitglieder. 3) Der Provinzialrat soll in
Zukunft ganz in Wegfall kommen. Ein Teil seiner Befugnisse, namentlich
die Zustimmung zum Erlasse von Provinzial-Polizei-Verordnungen, die Fest-
stellung und Abänderung der Amtsbezirke, soll auf den Provinzial-Ausschuß
übergehen. In anderen Angelegenheiten, „welche hervorragend technischer
Natur sind, und zu deren endgültiger Veurteilung den Provinzial-Instanzen
nicht die Hilfsmittel der Zentralstelle zu Gebote stehen", namentlich in ge-
wissen gewerbe- und baupolizeilichen Angelegenheiten, wird empfohlen, die