256 Pie chsterreichisch-ugarische Monarcie. (Jan. 27.)
Lienbacher — meint sie — wollte zuerst den Landtagen, späler den Eltern
der Schulpflichtigen das Necht geben, auf eigene Faust den Grundsaß der
Sjährigen Schulpflicht umzustoßen; das Ministerium geht noch einen Schritt
weiter. Nicht bloß die Eltern lonnen die Verkürzung der Schulpflicht ver-
langen. Diese „Erleichterungen"“ — sagt der ministerielle Entwurf — sind
auch für die Kinder ganzer Gemeinden zu gewähren, wenn die Gemeinde-
vertretungen auf Grund von Gemeinde-Ausschußbeschlüssen darum ausuchen.
Wohl gemerlt, „sind zu gewähren“, das heißt, können gar nicht verweigert
werden, und wenn es bisher unannehmbar erschien, daß ein Landtag das
Recht haben solle, das Reichsvolksschulgesetz nach eigenem Ermessen aban-
ändern, so soll es künftighin jeder Salzburg'schen Dorfgemeinde freistehen,
jür ihr Gebiet die Cjährige Schulpflicht an die Stelle der 8jährigen zu
setzen. Aber das ist noch bei weitem nicht Alles. Visher hatte die Volks-
schule die Aufgabe, die Kinder „sittlich-religiös“ zu erziehen, von nun an
wird die Erziehung eine religio sittliche“ jein; die Religion wird die
Hauptsache. Der Schulleiler muß dem Bekenntnisse angehören, dem die
Mehrzahl der seine Schule besuchenden Kinder angehört, und muß die Ve-
Köhigung besitzen, den Neligionsunterricht in dieser Konfession zu erteilen.
Da diese Bejahigung in der ungeheuren Mehrzahl der Fälle kein Anderer
wird nachweisen können, ale der Priester des betreffenden Bekennlnisses, so
wird auch dieser regelmäßig Schulleiler sein, das heißt mit anderen MWorten:
An der Spitze der Schule sieht der Seelsorger wie zur Zeit des Konkordates
unter Vach und Thun. Die Schulleiter werden außerdem verpflichtet, bei
den religiösen übungen der Schüler sich zu beteiligen. In den Lehrer-
Vildungsanstalten wird das Turnen unter die nicht obligaten Fächer ver-
wieen, dafür soll dem Orgelspiel um so größere Aufmerksamkeit geschenkt
werden, und das Gesetz begnügt sich, wenn die Lehramtszöglinge auch keine
Mittelschulbildung nachweisen, mit der zurückgelegten Bürgerschule, sofern
* nur nicht an der Erprobung musikalischer Kenntnisse mangelt. Der ganze
Lehrplau wird eingeschrault, das Lehrjiel herabgesetzt, der gange Plunder
der Realien aus der Voltsschule verbannt — der Zweck des Bolksschul-
unterrichts ist nicht mehr die Bildung, sondern die Religion."“
27. Jannar. (Ungarn.) Unterhaus: Gelegentlich der Ve-
ratung des Budgels bringt beim Titel „Dispositionssonds“ die
äußerste Linke die angebliche oder wirkliche Unterdrückung der deut-
schen Elemente und die versuchte Magyarisierung derselben zur
Sprache. Die Vertreter der Siebenbürger Sachsen beharren mann-
haft auf ihren Beschwerden und halten nachdrücklich fest an ihrer
deutschen Nationalität. Ministerpräsident Tisga sucht die Beschwerden
der Siebenbürger Sachsen und die schweren Anklagen des deutschen
Professors Heinze in Heidelberg (s. 1881 Ende Dezember) als teils
unbegründet teils wenigstens stark übertrieben dargustellen.
Tisza meint, in Ungarn gebe es außer den Sachsen noch m
Deutsche, welche aber gute Patrioten seien. Selbst unter den Sachsen
kennen sich nicht alle insgesamt als Bundesgenossen jener dem ngawischer
Staate feindlichen Tendenzen, als welche man die gesamte deutsche Vevölker-
ung hinstellen möchte. In Ungarn gebe es keine Partei, welche wolle, daß
die Deutschen nicht ihre Muttersprache sprechen; in Ungarn könne Jedermann
nach Belieben seine Nationalität pflegen, doch sei er auch verpflichtet, den