Dit österrtichisch-Ungarischt Monarchit. (Febr. 15.) 263
der Finanzzölle; das ist den Schutzzöllnern sehr unangenehm, aber wollen
sie ihre Schutzzölle haben, müssen sie wohl oder übel die Finanzzölle mit in
den Kauf nehmen. Und unter den Schutzzöllnern stehen sich wieder die
Interessen der Industriellen und Agrarier gegenüber, in der Monarchie
Lfüällig abgeteilt nach den beiden Hälften Cisleithanien und
Tranzgleithanien. Es hat nicht geringer Mühe und Zeit bedurft, um
den beiderseitigen Intereisen gerecht zu werden. Und nnn, wo eine Einigung
erzielt ist, ist man doch auf keiner Seite recht damit zufrieden, in Wien wie
in Pest beklagt man sich, daß man der Negierung durch Gewährung der
hohen Finanzle übertriebene Opfer habe bringen müssen, und in Wien
wie in Pest behauptet man gegenüber der anderen Reichshälfte zu kurz ge-
kommen zu sein; letzteres in Osterreich mehr und mit größerem Recht.
Im Einführungsgesehe zum Zolltarife werden in erster Reihe die
Retorsionsbestimmungen verschärft. Die Zollzuschläge, welche gegen
Staaten zur Anwendung kommen sollen, die österreichische Proveniengen
differentiell ungünstiger behandeln, sind von 10 auf 30 Progent bei zol-
pflichtigen und von 5 auf 15 Prozent bei zollfreien Waaren erhöht. Der
bezügliche Artikel 3 soll folgendermaßen lauten: „Waaren, welche aus
Slaaten kommen, die österreichische und ungarische Schiffe oder Waaren öster-
reichischer und ungarischer Provenienz ungünstiger behandeln, als jene anderer
Slaaten, unterliegen bei der Einfuhr außer dem im Tarif enthaltenen Zoll
einem Zuschlag von :0 Prozent des selben, und wenn sie in dem Tarif als
zollfrei erklärt sind, einem im Verordnungswege zu bestimmenden spezifischen
Zoll von 15 Prozent des Handelswertes der Waare. Die Regierung ist er-
mächtigt, Ausnahmen von bieser Maßregel im Verordnungswege eintreten zu
lassen, sei es daß dieselben nur auf einzelne Kategorien von Waaren An-
wendung finden, ei es, daß einzelne Kategorien von Waaren mit derlei Zoll-
zuschlägen und Zöllen' in höherem oder in geringerem als dem vorstehenden
Ausmaß belegt werden.“" Mit Rücksicht darauf, daß die Regierung die
Einführung von Getreidezöllen beantragt, wurde in das Einjührungsgesetz
ein neuer Artikel aufgenommen, welcher lantel: „Die Negierung ist ermäch-
tigt. im Einverständnisse mit der königlich ungarischen Regierung die Zölle
für Getreide und Hülsenfrüchte in Fällen schlechten Ernte-Ausfalles im In-
lande für alle oder einzelne Fruchlgaktungen zeitweilig außer Kraft zu
setzen.“ Die weiteren, meist geringsügigen Anderungen im Einführungsgesete
betreffen die günstigere Behandlung von Netourwaaren, die unverkanst aus
dem Auslande zurückkehren, die Behandlung von Aus sstellungs egegenständen
und die Verzollung von Flüssigkeiten in eigens lonstrnuierten Waggons. —
Im Zolltarife selbst wurde eine vollständige neue Einteilung vorge-
nommen. An Stelle der bis kherigen 19 Klassen, welche in 68 Abteilungen
zerjallen, treten 50 Tarifklassen, in deren jeder eine bestimmte Branche ge-
regelt wird; überdies wurden nach französischem str womöglich alle ein-
zelnen ollpositionen forklaufend numeriert, so daß sich 357 Nummern er-
gaben und nur ausnahmsweise eine Teilung nach Dachiaben. erfolgte.
Trotz der teilweise enormen Erhöhung der Zollansätze erwartet die
Regierung von denjelben doch nur einen Erkrag, der mit den starken De-
fizits im Staatshaushalle beider Neichshälften in keinem Verhältnis steht
und das Gleichgewicht in den Finanzen noch lange nicht herstellt. Als Ge-
sammtertrag der Zollsteigerung verspricht sich die Regierung 8 Millionen
Gulden (für beide Reichshälften), wovon jedoch mit Rücksicht auf die Ver-
träge sofort nur ca. 6·5 Millionen Gulden per Jahr zur Einhebung ge-
langen würden. Der Ertrag der Pekroleumzoll-Erhöhung ist in dieser Kal-
kulation allerdings nicht inbegriffen.