Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

264 Die Oseerreichisch-Augarische Monarchie. (Febr. 15—18.) 
15. Februar. (Kärnthen.) Die in Klagenfurt versammelten 
Bürgermeister der flovenischen und deutsch-slovenischen Gemeinden 
der Bezirkshauptmannschaft weisen den von Krain aus gemachten 
Versuch, den Unterrichtsminister zu einer Verordnung zu veranlassen, 
wonach die deutsche Sprache in den Volksschulen slovenischer Ge- 
meinden Kärnthens für die 5 ersten Jahre ganz beseitigt und für 
die 3 letzten nur als Lehrgegenstand, aber nicht als Unterrichts- 
sprache, belassen würde, „mit Entrüstung“ als eine „unbesugte Ein- 
mischung und Störung des Landfriedens“ einstimmig zurück. 
16. Februar. Conférence à quatre — Österreich-Ungarn, 
Pforte, Serbien und Bulgarien — in Wien. Die Pforte willigt 
endlich prinzipiell in den Anschluß an die Eisenbahn nach Salonichi 
ein und sagt auch den gleichzeitigen Bau der nach Konstantinopel 
zu führenden Vahn zu, erhebt aber nach ihrer Gewohnheit über die 
Detailbestimmungen (Anschlußpunkte) neue Schwierigkeiten und Zö- 
gerungen, so daß die für Österreich-Ungarn so wichtige Frage einer 
zusammenhängenden Linie nach Konstantinopel bis zu Ende des Jah- 
res doch noch unerledigt bleibt. 
17. Februar. (Ungarn.) Unterhaus: lehnt einen gegen die 
Deutschen, namentlich in Pest, gerichteten Antrag Szalay's von der 
äußersten Linken, die in fremden Sprachen verfaßten Firmatafeln 
mit einer jährlichen Stener von 100 fl. zu belegen, mit großer 
Mehrheit ab. 
18. Februnar. (Ungarn.) Unterhaus: lehnt einen Antrag 
des bekannten leidenschaftlichen Antisemiten Istoczy, die Emanzipa- 
tion der Juden wieder aufzuheben, nach einer energischen Rede des 
Ministerpräsidenten Tisza mit allen gegen bloß 3 oder 4 Stim- 
men ab. 
oczy (der vor Erregung zittert und sich den Schweiß abwischt, 
mit vick Stimme): Man nennt unser Jahrhundert das Jahrhundert 
der Humanität, während doch nur die Juden der Humanitaät teilhaftig ge- 
worden sind, unser von Juden zum Bieh erniedrigtes Volk aber von dieser 
Humanität ausgeschlossen ist. Man darf einem Juden nicht einmal auf die 
Hühnerangen treten, ohne daß in ganz Europa ein Wehklagen entsteht. 
(Schallendes Gelächter im ganzen Hause.) Durch die Praktiken der Juden 
wurden Hunderttausende unserer Mitbürger an den Bettelstab gebracht und 
zur Auswanderung genötigt. Sie dürfen unsere religiösen überzeugungen 
verhöhnen, unsere nationalen Aspirationen verlachen, diese parasitenhafte 
schachernde Horde. Doch der Stern Indas beginnt zu sinken.. Allein 
soweit ich die Stimmung des Hauses kenne, ist das Schicksal dieser Vorlage 
besiegelt; sie wird niemals Gesetz werden. Wir sind ja schon so weil, uns 
selber emangipieren zu müssen; denn die Resultate der elehten Volkszählung 
ergeben, daß die Juden bei uns während des letzten Dezenniums um mehr
	        
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