Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

268 Dit öhterrtichisch.Ingarische Monarchie. (Anf. März.) 
zugenommen haben. Wenn sich in Böhmen trotdem im Ganzen nur eine 
geringe Verschiebung der Nationalitätsverhältnisse bemerkbar gemacht hat, so 
liegt dies daran, daß die czechischen Ackerbau-Begzirke verarmen, und daß sich 
ihre Vevollerung jast gar nicht vermehrt, siellemweise sogar verminderk, wäh- 
rend sich in Nord-Böhmen immer mehr Menschen auf eine Quadratmeile zu- 
sammenballen. In den achtzehn reindentschen Bezirken hat sich die Bevöl- 
kerung Böhmens um 8.94 Prozent. in den reinczechischen um 5.84 Progent 
vermehrt. Ungünstiger als in Böhmen stellen sich die Dinge für die Deutschen 
in Mähren. Hier leben sie vielfach versprengt und zerstreut; die deuische 
Umgangssprache zeigt deßhalb einen Ausfall von drei Prozent gegenüber der 
letzten Volkszählung. Ganz ebenso in Schlesien. Die Polen waren im 
Jahre 1869 in der Stadt Teschen fast gar nicht, im Jahre 1880 durch 20.12 
Prozent vertreten. Im Ganzen nehmen die Polen gegenüber den Czechen und 
beide gegenüber den Deutschen an Zahl sictig zu. Dagegen schreitet das 
Dentschtum gegenüber den Slovenen im Ganzen vorwärts. In Steier- 
mark haben die Deutschen um 4 Prozent gegen das Jahr 1869 zugenommen. 
Es gibt keinen einzigen Bezirk Süd-Steiermarks, in welchem nicht dieselbe 
Erscheinung zu Tage tritt. Selbst in Krain ist das Prozent-Verhältnis 
für das Teutschtum trot aller Bedrängnisse der letzten Zeit nicht wesentlich 
auders geworden. Die Slaven haben in Krain nur um 0.05 Prozent gegen- 
über den Deutschen zugenommen. In Kärnten stellt sich in den Dcirken 
das Verhältnis für die Slovenen günstiger; aber den Ausschlag gibt die 
slarke Assimilation der in Klagenfurt und Villach r2c. eingewanderten Slo- 
venen an das Deutschtum, so daß das letztere im Ganzen in Kärnten einen klei- 
neu Fortschritt aufweist. Mächtig wächsk das italienische Element in Triest 
an. Die Dentschen sind von 8 Prozent auf 4 Prozent herabgesunken, die 
Slovenen von 54 Prozent auf 22 Prozent; als Italiener bekannten sich 
1869 bloß ein Drittel, diett zwei Drittel der Bevölkerung. Triest hat sich 
also ganz verwälscht. Dasselbe ist mit den Städten Istriens der Fall, 
während die Slovenen von Gör) den Italienern Widerpart halten. In 
Dalmatien hat in Folge des Einflusses der Regierung das flavische Ele- 
ment um 5 Prozent auf Kosten des Italienischen zugenommen, welches jetzt 
nur 11,08 Prozent der Gesamtbevölkerung zählt. In Tirol hat sich das 
Verhältniz um ½ Prozent für die Deutschen günstiger gestaltet, da die 
Bevölkerung Süd-Tirols stellenweise in Folge der Verarmung des Landes 
zurückgeht. 
Anfang März. (Böhmen.) Der czechische Klub des Reichs- 
rats lehnt eine Anregung auf Einführung der deutschen Sprache 
als obligaten Lehrgegenstandes an den czechischen Mittelschulen durch 
die Regierung ab. 
Vor Allem könne die Anregung nur die Gymnasien betresfen, da die 
Naalschulen und Pädagogien in das Gebiet der Landesgesetgebung fallen. 
Die czechischen Abgeordneten können weiter in so lange nicht in die Ein- 
führung der deutschen Sprache als obligaten Lehrgegenstand an den Mittel- 
schulen einwilligen, als nicht gleichzeitig auch die czechische Sprache als 
obligater Lehrgegenstand an den deutschen Mittelschulen Böhmens eingeführt 
würde. Die jehige Zeit eigne sich außerdem nicht für einen versöhnenden 
Schritt, welcher als Zeichen der Schwäche und Mangel an Selbstvertrauen 
gedentet werden könnte. Es könnte auch scheinen, daß mit der Einführung 
der deutschen Sprache als obligaten Lehrgegenstand die Czechen selbst die 
Rechte der deutschen Zunge erweitern wollen, welche die Linke den Völkern 
Osterreichs als Staatssprache aufoktroyieren wolle u. dgl.
	        
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