280 Die cllerreichisch-Ungarische Monarchie. (April 15.)
man erwägt, daß auf den verschiedenen Teilen des insurgierlen Gebieles alles
in allem zusammengenommen beiläufig 5000 Herzegovzen und Bocchefen
unter Waffen gestanden sein mögen, so nimmt sich auf den ersten Anblick
die aufgebotene Truppenmacht als eine horrende aus. Das scheint aber nur
so. An dem Kampse gegen die Aufständischen lonnte ja doch nur höchstens
ein Vierlel dieser Streilmacht Anteil nehmen, während die übrigen drei
Viertel in Bosnien, im Lim-Gebiet, in der Herzegowina und in Dalmatien
zerstrent lagen, um jede an einem andern Orte möglicherweise entstehende
neue Bewegung im Keime zu ersticken und die schon insurgierten Gebiete
wie eine verseuchte Gegend abusperren und zu isolieren. Solchen Präventiv=
maßregeln ist es zu danken, daß das Blutvergießen eingeschränkt wurde und
daß die eigentliche Infurrettion nicht einmal drei Monate währte, denn in
der Herzegowina empfing der Aufstand den Todesstreich am 1. April mit
der Katastrophe an der Tara zwischen Stanjevics und Dzendovalnka, und
die Widerstands kraft der Krivoschijaner wurde fünf Tage später gebrochen
mit der großen Streifung Winterhalders vom Lisarberge aus über die Bje-
lagora und Macia-Plania bis zum Östrande der Dragaljer Ebene. Was
hernach folgte, waren nur mehr die lehten Zuckungen des Aufstandes, waren
nur ohnmächtige Außerungen eines allmählich abbröckelnden Breganlaggio.
Wären die Generale nicht von allem Anbeginn mit imposanter Macht auf-
getrelen so würde der Aufstand sich noch zur Stunde weiterfristen. Aber
es wäre Unrecht, neben der numerischen überlegenbeit der Truppen nicht
auch ihre taktischen Leistungen zu würdigen. Der echte scharfe schneidige
Soldatensinn, die Tapferkeit und Unternehmungslust finden hier ein weitaus
ergiebigeres Feld als im großen Kriege, wo die Individnaliläten der Sol-
daten und unteren Chargengrade in der Masse versschwinden.
15. April. (Ungarn.) Die Regierung schließt mit der „öslerr.
Staatsbahngesellschaft“ einen Präliminarvertrag ab, der Ungarn auch
in Eisenbahnsachen von Österreich unabhängig machen soll und da-
durch für Ungarn von eminenter Bedeutung ist.
Seit dem Zustandekommen des Ausgleichs, der Ungarn ein selbstäu-
diges Handels= und Kommunikationsministerium gebracht. waren die unga-
rischen Staatsmänner unablässig bestrebt, das ungarische Verkehrswesen auch
vollständig von dem österreichischen zu trennen. In erster Linie kamen dabei
die beiden großen Eisenbahngesellschaften in Betracht, deren Netz in beiden
Neichshälften lag: die Südbahn= und die Staatsbahn-Gesellschaft. Die er-
slere, finangiell derangiert, leistete bald der ungarischen Regierung unbedingte
Heeresfolge; die andere jedoch, finangiell intakt und im Besitz der großen
Verkehrslinie, die von der March an die untere Donau führt, fügte sich
nicht so leicht in die Wünsche der ungarischen Regierung, und wollte sich
der Verkehrspolilik derselben nicht unbedingt dienstbar machen. Uber ein
Jahrzehnt danerte der Kampf zwischen den beiden Gewalten und entbrannte
zulcht noch heftig wegen des Ausbaues der serbischen Bahnen. Die unga-
rische Regierung zutschloh sich, selbst eine Bahn von Belgrad nach Ofen zu
bauen, au welche dann das serbische Netz angeknüpft werden sollte, nur da-
mit dasselbe nicht etwa mit der leicht an die Donau zu verlängernden Staats-
bahnlinie Pest-Temesvar verbunden werde. Nun hat auch die Skaaksbahn
vor dem ungarischen Staate kapituliert, da, wie es scheint, die französischen
Aktionäre des Kampfes müde geworden sind. Staat und Bahngesellschaft
haben ein Abkommen getroffen, bei dem zwar der erstere im Vorteil zu sein
scheint, aber im Ganzen auch die Eisenbahngesellschaft ihren Vorteil finden
wird. Sie verkaufte eine ihr ohnedieß exzentrisch liegende Linie auf dem