Dir GOserreichisch--Ungarische Monarchie. (Juni 15—25.) 295
der czechischen Industrie und des czechischen Handels „eorganisirt“ werden
sollen. Die nächste Konsequenz dieser Reform wäre natürlich, daß den Hau-
we kammern von Prag und Neichenberg, welche je zwei Vertreter ins Ab-
Jeordnetenhaus senden, je ein Abgeordneker entgogen würde, während die
neu zu errrichtenden Handelskammern von Königgrätz und Chrudim je einen
Abgeordneten erhalten würden.
15. Juni. (Galizien.) Der einzige griechisch-unierte Mönchs-
orden der Vasilianer, der in den ruthenischen Landesteilen eine Reihe
von Klöstern besitzt, soll, dem Wunsche der Polen und der Regie-
rung entsprechend, weil er angeblich russischen Einflüssen und einer
Wiederannäherung an die griechisch-orthodoxe Kirche sich hingegeben
habe, auf Befehl des Papstes reformiert werden und wird dieses
Geschäft den Jefuiten übertragen.
19. Juni. (Triest.) Die Neuwahlen für den gleichzeitig als
Landtag fungierenden Stadtrat fallen gegen die österreichische Partei
aus. Bisher hatte dieselbe numerisch die Mehrheit, obgleich sie
thalsächlich durch Lässigkeit und Schwäche meist in der Minderheit
blieb. Die Neuwahl ergiebt nunmehr 27 italianisierende „Pro-
gressisten“, 22 österr. „Patrioten“ und 5 vom Territorium gewählte
Slovenen, also 27 gegen 27 Stimmen. An Talent und Einfluß
sind aber die Progressisten ihren Gegnern entschieden und noch mehr
als schon bisher überlegen.
20. Juni. (Ungarn.) Die Stimmung der Bevölkerung gegen
die Juden wird in verschiedenen Landesteilen als bedenklich und be-
drohlich geschildert, aber zugleich behauptet, daß die Regierung alle
Maßregeln getroffen habe, um den ersten Versuch von Thätlichkeiten
mit eiserner Strenge hintanzuhalten.
25. Juni. (Böhmen.) Eine kais. Entschließung verfügt,
daß für beide Prager Universitäten nur eine Staatsprüfungskom-
mission zu bestehen habe, und zwar sowohl für die rechtshistorische
als auch für die judizielle und staatswissenschaftliche Staatsprüfung.
Die Staatsprüfungskommission hat dieselbe Zusammensetzung wie
bisher, so daß hiebei die Hörer der cgechischen Universität von deutschen
Professoren, und umgekehrt, geprüft werden können. Die Staatsprüfungen
können ausschließlich in deutscher Sprache abgehalten werden, aber ui
ausschließlich in czechischer Sprache, denn bei jeder Staats Prüfung müssen
ein oder zwei Fächer in deutscher Sprache geprüft werden. Der Calcül wird
sich hiebei nicht blos auf das Fach, sondern auch auf die Kennknis der
deutschen Sprache erstrecken, und wenn ein Kandidat wegen Unkenntnis der
deutschen Sprache reprobirt wird, so muß er die Prüfung aus dem betreffeu-
den Fache in der deutschen Sprache wiederholen. Auf der czechischen Univer-
sität muß auch bei den die Staatsprüfungen vertretenden Rigorosen wenig-
stens ein Fach in der deutschen Sprache gemacht und darin geprüft we rden. —
Die czechische Presse ist über die Maßregel sehr ungeholten und erklärt, daß