Dit Osterrrichisch--Ungarische Monarchie. (Juli 1.) 297
Staatsbahnen-Direktion, zu deren Chef v. Czedik ernannt ist, in
Thätigkeit.
Das cisleithanische Staatsbahnnet umfaßt zur Zeit bereits etwa
2000 Ktilometer und die Versiaatlichungs-:Polilik ist aus dem Stadium der
Sanirung und des Gelegenheitskaufes in jenes eines systematischen Versuches
getreten; es ist ein Ansaß gegeben, welcher sich durch Angliederung ent-
wickeln mag, bis das Skaatsbahnnew# nach allen Nichtungen an die Grenzen
des Neiches seine Schienenstrahlen aussendet und Osterreich ebenbürtig zu
der Reihe jener Länder zählt, in welchen ein Organismus von Staatseisen-
bahnen den Markstein bildet für die Entwicklung des nationalen Verkehrs-
wesens, eine Säule für die Hoheit des Staates gegenüber einem oft über-
mächtig ausgreifenden Monopol. Freilich gedenkt die öffentliche Meinung in
Österreich dabei nicht ohne berechtigtes Vedauern der Zeit, da SÖsterreich
schon im Besite eines imponierenden Netzes von Staatseisenbahnen war,
welches die Finanzkunst des Absolulismus zu fündhaft schlechten Preisen
verschleuderte, um die Kosten einer fehlerhaften Großmachtspolitik zu be-
streilen und die klaffenden Wunden des verschuldeten Staatshaushalles für
den Augenblick zu decken.
1. Juli. (Galizien.) Der Ministerrat beschließt auf den
Antrag des (polnischen) Finanzministers Dunajewski und des Mi-
nisters für Galizien, diesem Lande die auf mehr als 72 Mill. G.
angewachsene Schuld für geleistete Vorschüsse behufs Durchführung
der Grundentlastung unter einigen Bedingungen einfach nachzulassen
und dem galizischen Landtage darüber eine Vorlage zu machen.
Dem Beschlusse des Ministeriums liegen folgende Thatsachen zu
Grunde. Als im Jahre 1848 der Baner frei von den Giebigkeiten erklärt
wurde, welche auf seinem Hofe lasteten, da wurde der Grundsaß ausge-
iprochen, daß die Ablösung für diese Lasten zum Teile vom Staate und
von den Kronländern, zu einem Dritteil aber von den Bauern selbst ge-
tragen werden solle. überall gelangte dieser Grundsatz zur Ausführung, nur
für Galizien wurde später eine schwerwiegende Ausnahme beschlossen. Die
Armut der kleinen Grundbesitzer, sowie die besondere Begünstigung, welche
der galizische Baner stets seitens der österreichischen Regierung wider den
Adel genossen hatte, bestimnten das Ministerium Bach zu einem (#Att groß-
artigen Staatssozialismus“: in Galizien wurde der Bauer jedes Beitrags
zur Grundentlastung enthoben, und die dadurch notwendig gewordene Summe
aus den Steuergeldern aller Staatsbürger angewiesen. Allüberall in ÖOster-
reich wurden damals zugleich Provingialfonds gegründet, aus denen die
nötigen Summen angewiesen wurden; binnen 40 Jahren vom Beginne der
Tilgung der Schuld sollte sie bis auf den lebzten Heller und Pfennig zurück-
gezahlt werden. Die Tilgung dieser Schuld begann in den deutsch-österrei-
chischen Krouläubern am 30. April 1856, im Lemberger und Krakauer Nayon
im Jahre 1858. Es war unzweiselhaft ein föderalistischer Gedanke, nach
welchem die Fonds kreirt wurden; im Wiener Reichslage von 1848 war
darüber ein gewaltiger Streit entbrannt, und endlich war in demselben mit
den Stimmen der Polen, Czechen und Konservativen gegenüber dem Votum
der deutschen Linken, welche einen eingigen, ganz Osterreich umfassenden
Grundentlastungsfonds verlangte, eine feeralistishe Organisation des Grund-
entlastungswerkes bestimmt worden. So lange es sich um das Recht der
Verwaltung dieser Fonds handelte, blieben dual Vorteeler des Landes Gali-