Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

300 Die österreichisch-Ungarische Monarchie. (Juli 16-22.) 
(Fischhof, Walterskirchen 2c.) macht in Wien vorläufig Fiasko. Zu 
der behufs Gründung derselben einberufenen Versammlung haben 
sich zwar über 1000 Personen eingefunden, der Exbürgermeister von 
Wien, Newald, wird zum Vorsitzenden gewählt und das Programm 
vorgelegt, welches die Feststellung einer Staatssprache, Gesetze behufs 
Durchführung des Art. 19 der Verfassung, Wahlreform unter Beseiti- 
gung der Interessenvertretung und Allianz mit den liberalen Elemen- 
ten aller Nationalitäten verlangt und von Walterskirchen lebhaft 
verteidigt wird und nach ihm in dem Grundsatz „Versöhnung aller 
Nationalitäten auf demokratischer Basis“ gipfelt. Dann aber er- 
geben sich scharfe Meinungsverschiedenheiten, die sich bis zum Tu- 
mult steigern, so daß die Versammlung vom Präsidenten ohne Re- 
sultat geschlossen werden muß. 
16. Juli. (Ungarn.) Die magyarischen Chauvinisten er- 
lassen einen Aufruf zur Magyarisierung der Hauptstadt Pest und 
sordern zu massenhaftem Beitritt zu ihrem Verein auf. Denn es 
sei eine unbestrittene Thatfache, daß von 360,000 Einwohnern der 
Hauptstadt 100,000 nicht magyarisch verständen. 
16. Juli. (Bosnien und Herzegowina.) Die bisherige 
provisorische Zolllinie zwischen den beiden okkupierten Provinzen 
und der Monarchie wird mit diesem Tage ausfgehoben. 
19. Juli. (Bosnien und Herzegowina.) Der ungarische 
Großgrundbesitzer Baron Fedor Nikolics wird zum Civiladlatus des 
Ministers v. Kallay für die okkupierten Provinzen ernannt. Die 
Wahl findet allgemeine Billigung. Nikolics ist geborner Slave, 
ein naher Verwandter des serbischen Königshauses und zudem grie- 
chisch-katholischer Konfession. 
Er steht also den gegen 700000 griechischen Katholiken Bosniens 
näher als den 200000 rômischen Katholiken jenes außerdem von etwa 
500000 Muhamedauern bewohnten Landes. Damit ist endlich eine bessere 
Handhabe der Bevölkerung gegenüber gewonnen; die bisherige Landesver- 
waltung hatte sich mit einer anderswo als in Wien undenkbaren Thorheit 
auf die römisch-katholische Minorität gestützt und damit zu den jüngsten 
pauflavistischen Erhebungen das beste Brennmaterial selbst herbeigeschleppt. 
22. Juli. (Krain.) Eine Verordnung des Unterrichtsmini- 
sters v. Konrad befiehlt die allmähliche Slovenisierung der Gym- 
nasien von Laibach, Krainburg und Rudolfswerth. Eine sofortige 
ist nicht möglich, weil es sowohl an Lehrkräften als an Lehrmitteln 
fehlt, wenn man auch noch so nachsichtig sein will. Immerhin 
übertrifft die Konzession alle Hoffnungen der Slovenen. 
— Juli. (Schlesien.) Die Agitation für Einführung einer
	        
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