Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Die Oflerreichisch-Augarische Monarchie. (Aug. 1—2.) 303 
aus deutschen Propiujen Vorarlberg, Oberösterreich, Nieder-= 
österreich, Tirol d Salzburg, und in den von deutschen und 
czechischen Stännnen“ bewchulen Kronländern Böhmen, Mähren und 
Schlesien die relativ günstigsten Verhältnisse herrschen; denn zwischen 87 
und 95 Perzent der ganzen über die erste Kindheit hinansreichenden Be- 
völlerung können lesen und schreiben oder wenigstens lesen. Mliilaus un- 
günstiger gestalten sich die Verhältnisse schon in den Provinzen, in welchen das 
deutsche mit dem südslavischen Elemente gemischt itt. und zwar um so 
ungünstiger, je zahlreicher relativ das letztere überragt. In Steiermark 
sind nur mehr 71 Perzent, in Kärnten kaum 60 Perzent, in Krain 53 
Perzent der Bevölkerung bei der ersten Bildungsstufe angelangt; alle übri- 
gen sind Analphabeten. Und am schlimmsten steht es in denjenigen König- 
reichen und Ländern, in welchen ein nordflavischer oder füdflavischer 
Sprachstamm die unbestrittene Herrschaft ausübt. Schon West- 
galigien mit den Polen und noch mehr Ostgalizien und die Buko- 
wina eröffnen einen wahrhaft beklagenswerten Einblick in ihre intellektuelle 
Kultur; wer würde es glauben, daß nur zwölf unter je *ie Bewohnern 
eines Landes lesen und schreiben können, wie dies in der Bukowina der 
Fall ist? Aber auch mit dem süädflavischen Elemente sieht es recht schlimm 
aus, wenn dasselbe ungestört „unter sich“ lebt oder nur mit Italienern ge- 
mischt vorkommt; denn die Nachweise aus Istrien und Dalmatien zeigen, 
daß in jenem nicht mehr als sechs zundzwanzig, in diesem auch nur zwölf 
auf je hundert Einwohner den Schlüssel für die Eröffuung geistigen Lebens 
ihr Eigen neunen. 
1. und 2. August. (Triest) begeht die Feier seiner 500jäh- 
rigen Vereinigung mit den unter dem Scepter der habsburgischen 
Dynastie stehenden Königreichen und Ländern durch die Eröffnung 
einer allg. österr. Industrie= und Gewerbeausstellung. Die Eröff- 
nung derselben ist eine überaus glänzende und sie überrascht durch ihre 
Reichhalligkeit und Vollständigkeit. Dabei muß sich dem Beschauer 
aber auch die Erkenntnis aufdrängen, daß vor allem die deutschen 
Industriegebiete Ssterreichs der Einladung Triests aufs zahlreichste 
gefolgt sind. Der industrielle Teil der Ausstellung hat einen aus- 
gesprochen deutschen Charakter und läßt auch in allen anderen Par- 
tien die von deutscher Seite ausgegangenen fortschrittlichen Vestre- 
bungen deutlich erkennen. Deunoch kommt bei der Feier die deutsche 
Nationalität gar nicht zu Worte: die Eröffnungsansprache wird von 
dem Präsidenten italienisch gehalten und da er als Deutscher der 
italienischen Sprache nicht vollkommen mächtig ist, muß er sie ab- 
lesen; die zweite Rede ist eine magyarische des ungarischen Kom- 
missärs; eine deutsche Rede namens der deutschen Aussteller findet 
nicht statt. Am Abend bringt der Veteranenverein dem Erhherzog 
Karl Ludwig als dem Protektor der Ausstellung eine Ovation mit 
1000 Fakeln. Dieselbe wird durch ein Attentat gestört, indem aus 
einem Hause am Korso eine Petarde auf den Zug geschleudert wird, 
die den Präsidenten leicht streift, aber 5 andere Personen schwer
	        
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