316 Die chkerreichisch-Ungorische Monarchie. (Olt. 4—8.)
„Mannschaft- standes", um den militärischen Ausdruck zu gebrauchen, ver-
loren. Im Jahre 1870 ergab die Vollszählung noch, daß im Lande
4,417, 5rs Personen von der Landwirtschaft lebten, während ein Jahrzehnt
später schon nur 3,609,117 Personen dieser Art gefunden wurden. Dieser
fast unglanbliche Menschenschwund, der bei einer einzigen Berufsklasse einen
Abgang von 718,457 Menschen in einem Jahrzehnt beträgt, mache es
jedem ungarischen Politiker zur ernstesten Pflicht, den Ursachen einer solchen
Erscheinung nachugehen. Thue man das, so habe man sich nach Erachten
des „Lloyd“ in erster Reihe mit der Auswanderung zu beschäftigen. Die
Auswanderung dezimiert die ungarische landwirtschaftliche Bevölkerung, vor-
erst allerdings nur in Nordungarn, sie werde sich aber mit der Zeit über
ganz *e erstrecken.
4. Oktober. (Österreich.) Der Kaiser sanktioniert endlich
die schon vor einem halben Jahre von beiden Hänsern des Reichs-
rats beschlossene Wahlreform (bez. der Zerteilung des Wahlkörpers
der böhmischen Großgrundbesitzer in 6 Kurien und die Erteilung
des Wahlrechts an die sog. Fünfguldenmänner).
Die lange Verzögerung der Sanktionierung des Gesetzes ist aller-
dings auffallend und es wird vielfach die Ansicht geäußert, das Ministerium
Taaffe habe dadurch noch einen Druck auf seine Partei, die mit ihren Ten-
denzen allzurasch vorwärts drängen möchte, ausüben wollen. Die gonverne-
mentale Presse feiert übrigens das Ereignis als einen großen Fortschritt:
„Ein Gesetz von der größten Wichtigkeit und Tragweite tritt damit in
Kraft, ein Gesetz, welches einen wesentlichen Einfluß auf die politische Ent-
wicklung des Reiches unzweifelhaft nehmen wird. Hunderttausende von
Staatsbürgern, welche bisher keinerlei politische Rechte besaßen, werden
jetzt mündig erklärt, und ihre Stimmen werden schwer- in die Wagschale
fallen; die Emanzipation der Fünsgulden-Männer ist eine Thatsache, und
sie wird überall die lebhafteste Genngthuung und die aufrichtigste Freude
hervorrufen“. Der „Fortschritt“ wird dagegen von anderer Seite stark
zweifelt. Die Fünfgulden-Männer gehören in ihrer grosen Mehrheit den
sog. Kleingewerbe an, das durch die wirtschaftliche Entwicklung der S#eit, sic )
in seinen Interessen vielfach bedrängt fühlt und unzufrieden ist. Die R
tion hofft darum, gerade diese Klasse für sich gewinnen zu können, tar
macht sich auch sofort daran, dieß durch geeignete Maßregeln nach Kräften
ins Werk zu sehen, namentlich durch die, gerade von dieser Seite geforderte
Aufhebung oder doch Beschränkung ber bestehenden Gewerbefreiheit. Für
den Augenblick aber kommt der Vorteil der Wahlreform den Czechen in
Böhmen zugute. Sie sind jedoch el noch lange nicht zufrieden. Der
altcgechische, „Pokrok“ sagt, die Wahlreform sei noch keineswegs abgeschlossen,
die Frage sei nur, ob noch in dieser Session oder nach den neuen allgemeinen
Wahlen in der Neform forkgeschritten würde. Das bisher Erreichte sei nur
ein Teil dessen, was auszuführen notwendig sei. „Narodni Listy“ aber
rechnen aus, die Czechen würden künftig 48, die Deutschböhmen 44 Abge-
ordnete im Reichsrate haben. Die Czechen seien noch immer im Verhält-
nisse zur Bevölkerungszahl um 12 Abgeordnete „verkürzt“. Das Jung-
clechenblatt, fordert ferner energisch eine ähuliche Wahlresorm für den Land-
tag. Die Rechte mmisse übrigens auf die Anflösung des Reichsrates dringen,
und die Parole bleibe: „Eine Wahlordnung ist erreicht; es lebe die zweite,
ungleich größere und radikalere:“"
8. Oktober. (Böhmen.) Der neue Bürgermeister Czerny