Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Die Gllerreichisch-Hugarische Monarchie. (Ott. 9.—12.) 31 
von Prag feiert bei seiner Eidesleistung „unfser altes flavisches gol- 
denes Prag". Die Czechen fühlen sich als Majorität bei dieser Ge- 
legenheit unter sich und es wird nur czechisch gesprochen. Die fünf 
deutschen Stadtverordneten legen dadurch verletzt ihr Amt sämtlich 
nieder. Prag ist eben die Hauptstadt Vöhmens, in dem nicht nur 
Mill. Czechen, sondern auch 2 Mill. Deutsche wohnen und davon 
30,000 in Prag selbst. 
Die czechischen Blätter benuben den Rücktritt der deutschen Stadt- 
verordneten, — die bis auf einen der jüdischen Konfession angehören — 
sür die Ankisemitenbewegung. Die vier jüdischen Stadtverordneten, schreibt 
die „Politik“, haben gegen das böhmische Volk demonstriert, sich als Gegner 
desselben hingeellt. und sich als deutschnationale Agitatoren präsentiert. 
In einer Zeit, wo die antisemitische Bewegung so hohe Millen schlägt, wo 
sich an anderen Orten die Leidenschaften kaum mehr zügeln lassen, und zu 
Thätlichkeiten ausarten, ist es zumindest sehr unklug, ein ganzes Bolk in 
so brüsker Weise zu provofieren“. Die Dentschen in Prag beteiligten sich 
übrigens seit anderthalb Dozennien im allgemeinen nicht mehr an den 
Wahlen in die Stadtvertretung. Weder in der Alt= oder Neustadt, noch 
auf der Kleinseite und dem Hradschin wurden von ihnen Kandidaten ausge- 
stellt. Nur die deutsche Bevölkerung in der Josephstadt, dem ehemaligen 
Judenviertel, hat gegen die Beschlüsse der Parteileitung stets ihr Wahlrecht 
ausgeübt und fünf Abgeordnete in die Stadtvertretung entsandt. 
9. Oktober. (SÖsterreich.) Der Handelsminister v. Pino er- 
öffnet den neu eingesetzten Staatseisenbahnrat, nimmt die Angelo- 
bung der Mitglieder vor und überläßt dann den Vorsitz dem Chef 
der Direktion für den Staatseisenbahnbetrieb, Sektionschef v. Czedil. 
9. Oktober. (Ungaru.) Graf Naday wird an die Stelle 
des verstorbenen v. Szende zum Honvedminister ernannt. 
12. Oktober. (Ungarn.) Abg.-Haus: Die Negierung legt 
demselben das Budget für 1883 vor, das der Finanzminister Graf 
Szapary mit einem längeren Exposé begleitet. 
Der Finanzminister schildert die Sachlage in einem überaus rosigen 
Lichle: Dieselbe habe sich gegen das Vorjahr weitans gebessert und für das 
künftige Jahr lönne er die Beseitigung des Defizits bereits in sichere Aus- 
sicht stellen. In Wahrheit hat sich die Finanglage gegen das Vorjahr zwar 
elwas, aber nicht allzuviel gebessert und die Beseiligung des Defizits steht 
noch in weiter Ferne und ist bchstens für das ordentliche Budget wenig- 
stens abzufehen. Das Defizit für 1883 beträgt im ordemtlichen Budget 
immer noch 8, Mill. und im außerordentlichen 13,= Mill., wozu noch 
9 Mill. für die Amorlisation der. Staatsschuld kommen, sodaß das Gesamt= 
defizit immerhin auf 30,: Mill. ansteigt. Dieses Defizit soll durch eine 
Bestenerung des Einkommens aus den bei Geldinstituten plazierten Kapitalien 
zund— Erbohmn der Konsumsteuer auf Bier von 1 auf 1½, auf Zucker von 
, was zusammen 2 Millionen eintragen soll, ferner durch rück- 
stänoge Kaufschillinge der Kolonisten im Betrage von 6.68 Mill. G., der 
Rest durch eine Kreditoperation gedeckt werden. Von der Goldrente sind 
182 Mill. konvertiert, was eine Zinsenersparnis von 1, Mill. involviert; 
es bleiben noch 217 Mill. Geldrente einzulösen.
	        
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