326 Die Oslerreichisch-ngarische Monarchie. (OÖlt. 30 31.)
wird Baron Ceschi, der, sozufagen „zwischen den Parteien" sieht, gewählt,
in den Vudgetausschuß 10 Autonomisten, 8 von der Linken und 2, welche
als der „Mittelpartei" angehörig bezeichnet werden.
30. Oktober. (Österreich-Ungarn.) Ungarische Delegation:
Der Reichskriegsminister Graf Vylandt legt derselben in einer mehr-
stündigen Rede die Gründe dar, welche die Regierung bewogen ha-
ben, gerade jetzt die Armeereorganisation und gerade diese Armee-
reorganisation durchzuführen.
Auch die gesamte Presse beschäftigt sich neuerdiungs und aufs leb-
hafteste mit der Frage. Die Ungarn find nicht gegen die Reform: für sie
sind nationale Momente ausschlaggebend. Die Terrikorial-Einteilung ist
nach ihrer Anschauung ein großer Schrilt vorwärts zur Nationalisierung,
Magyarisierung der Armee, beziehungsweise zur Schaffung einer eigenen
national-ungarischen Armee. Von analogen Gesichtepunkten ausgehend haben
auch die Polen und die Czechen nichts gegen das Prinzip einzuwenden und
die Polen speziell sehen in dem Armeckorps, dessen Hauptquartier Lemberg
ist, den Kern einer künftigen poluischen Armee unter österreichischer Füh-
rung. Nur die Deulschen erheben im Interesse der Reichseinheit Vedenlen,
indem sie die Besorgnis äußern, daß mit der Durchführung des Terrikorial"
systems der Föderalismus, der Nationalitätenstreit in die Armee getragen
und deren Einheit dadurch geschädigt werden könne. Die offiziösen Organe
bestreiten ihrerseits diese Möglichkeit durchaus. Die Zukunft erst wird
lehren, wer richtig. voraussah.
30. Oktober. (Österreich.) Die von der Polizei verfügte
Auflösung einer „Schuhmacher-Gewerkschaft“ und zwar „wegen so-
zialistischer Propaganda und Verbreitung verbotener Druckschriften“
gibt in einigen Vorstädten und Vororten Wiens Veranlassung zu
Exzessen und Tumulten, die anfangs nur für Ausschreitungen des
Pöbels gehalten werden, die sich aber 8 Tage lang alltäglich wieder-
holen und steigern und am 8. Nov. zu einem regelrechten Straßen-
kampf gestalten, in dem die Massen angriffsweise vorgehen und das
Militär mit blanker Waffe einschreitet. Die Hauptmasse der Erxze-
denten scheint immer noch der zahlreiche Vorstadtpöbel gewesen zu
sein; doch macht sich vielfach die Ansicht geltend, daß Anarchisten
und Sozialisten dahinter gestanden und einen ersten Versuch hätten
machen wollen, was unter Umständen ins Werk gesetzt werden könnie.
SI. Oktober. (Österreich-Ungarn.) Ungarische Delegation:
Der Minister des Ausw. Graf Kalnoky gibt bez. einer Reihe aus-
wärtiger Fragen Auskunft, namentlich auch über den unterbliebenen
Gegenbesuch des Kaisers in Nom, da er zu politischen Demonstra-
tionen von den Anhängern beider Lager ausgebentet und ihm so
eine ganz andere als die beabsichtigte Bedentung beigelegt werden
könnte, mit dem Beifügen, daß die Vertagung des Projekts weder
auf die freundschaftlichen Gefühle der beiden Höfe noch auf die an-