Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Grsßbriltannien. (April 21 — Mai 1.) 361 
24. April. Unterhaus: Gladstone legt das Budget für das 
laufende Jahr vor. Die Ausgaben werden auf 84,630,000, die 
Einnahmen auf 84,035,000 Pfd. St. begiffert, was einen Uberschuß 
von 305,000 Pfd. St. ergibt. 
26. April. Unterhaus: Der Home-Ruler Redmont, ein Ge- 
sinnungsgenosse Parnell's, beantragt die 2. Lesung einer von ihm 
eingebrachten Bill zu Ergänzung der irischen Landakle. 
DTie Bill geht zwar bedeutend weiter als die Gladstone'sche Landakte, 
ist aber in ihren Forderungen doch gemäßigt und geht nicht über das hinaus, 
was von Gladstone möglicherweise zugestanden werden könnte. Gladstone 
anerkennt die Mäßigung, hält es aber noch nicht für zeitgemäß, über die 
Landakte hinauszugehen und verjagt daher der Vill die Zustimmung der 
Regierung. Nur bez. der Pachtrückstände behält er sich selbst eine Vor- 
lage noch in dieser Session vor. Man will von diesem Tage an eine 
Wendung in der Politit Gladflone's bez. Irland erkennen. 
(Canada.) Beide Häuser des canadischen Kolonial-Parlaments 
beschließen, die Negierung in London zu ersuchen, Irland die gleiche 
Selbständigkeit einzuräumen, welche Canada genießt. Der Beschluß 
macht in England großes Aufsehen. 
27. April. Unterhaus: nimmt eine ihm von der Regierung 
vorgelegte Wahlbestechungsbill in 2. Lefung ohne Abstimmung an. 
28. April. Der bisherige Vicekönig von Irland, Graf Cowper, 
nimmt seine Entlassung und wird durch den Grafen Spencer ersetzt. 
Die Motive dieser Beränderung sind vorerst noch unklar. 
1. Mai. Oberhaus: Der Spezialausschuß für Untersuchung 
der Wirkungen der irischen Landakte erstattet dem Haus einen vor- 
läufigen Bericht. 
Der Bericht ist ein langes Aktenstück, das die Landakte einer sehr 
umfassenden Kritil unterwirft. Die Hauptsache jedoch bilden detaillierte 
orschläge zur Kreierung eines angesessenen Bauernstandes (peasant pro- 
prietar)) nebst den Umrissen eines Planes zur Ausführung dieser Vorschläge. 
Die Ouintessenz des Ausschuß- Vorschlages ist in dem Satze ausgedrückt: 
„daß es Gutsherren und Pächtern frei stehen soll, die für ein Pachtgut zu 
zohlende Kaufsumme unter sich zu vereinbaren, und daß das Land-Tribunal 
die Ermächtigung erhalten soll, dem Käufer die ganze Kanfsumme aus 
Staatsmitteln vorzuschießen"“. Gulsherr und Pächter sollen also freund- 
schaftlich unter sich den Handel über den von dem letzteren zu zahlenden 
Kaufschilling für ein Gehöft oder sonstiges bäuerliches Besitztum abmachen 
und dessen Wert unabhängig unter sich festsehen, der Bekrag aber soll von 
dem Land-Tribunal ohne weiteres vorgeschossen werden, den der Verkäufer 
einfach bar und ohne Abzug einstreicht, der Käufer nur verzinsen muß. Der 
kritische Punkt dabei ist das von dem Ausschusse zu diesem Zweck vorge- 
schlagene neu zu errichtende Land-Tribunal und daß der englische Staats- 
schatz diesem die Fonds zur Zahlung der Kaufschillinge zur Verfügung slellen 
muß. Der von dem Ausschusse vorgelchlage ne modus operandi ist ein sehr 
einfacher; das neue Land-Tribunal bildet die Bank, welche des erwerbenden
	        
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