388 Frankreich. (Febr. 6—16.)
Er selbst ist momentan in allgemeinen Mißkredit geraten und wird
in Marseille förmlich verhöhnt.
6. Februar. Kammer: Granet interpelliert die Regierung
über die Vertagung der Verfassungsrevision und fordert die Regie-
rung auf, den von der Kammer votierten Entwurf einer Revision
beg. des Senats diesem vorzulegen.
Freycinet erwidert, da der Entwurf das Werk der Kammer sei, io
sei es nicht die Aufgabe des Kabinels, ihn dem Senate vorzulegen. Die
republikanische Mehrheit sei überdies noch nicht völlig einig bezüglich der
Revision. Die Negierung bedürfe aber der Unterstützung der gesamten
Mehrheit. Die Revision stoße gegenwärtig auf unüberwindliche Hindernisse.
Die Regierung werde zu geeigneter Zeit die Revisionsfrage wieder aufnehmen
und hoffe ihr in der Kammer zum Erfolge zu verhelfen. Die Kammer
erklärt sich mit 287 gegen 66 Stimmen damit einverstanden und erteilt dem
Kabinet ein Vertrauensvolum. Die Verfassungsrevision ist also vor-
erst beseit igt.
Die Regierung macht der Kammer ihre zwei ersten Vorlagen. Turch
die eine wird die Wahl der Maires in allen Gemeinden außer in Paris
den Gemeinderäten übertragen; durch die andere die Verpflichtung der Ge-
meinderäte, bei Steuererhöhungen sich eine gewisse Anzahl Höchstbesleuerter
beizugesellen, als undemokratisch abgeschafft.
10. Febrnar. Die gew. Mitglieder des Kabinets Gambelta
beginnen als Deputierte die meisten jener Reformprojekte, welche sie
während ihrer Amtszgeit ausgearbeitet hatten, einzubringen. Die-
selben haben indes nicht mehr die mindeste Aussicht auf Annahme,
zumal alle im Sinne der autoritären Republik d. h. in dem einer
Stärkung der Regierungsgewalt gedacht sind.
14. Februar. Während das Kabinet Gambekta den sechs
großen Bahngesellschaften, die unter dem Patronate des Hauses
Rothschild ein förmliches Eisenbahnmonopol ausüben, zu Leibe gehen
wollte, unterhandelt das Kabinet Freycinet mit ihnen bez. Fort-
setzung der Eisenbahnarbeiten und dieselben wollen auch dem Staat
in seiner Verlegenheit entgegenkommen, aber nur unter Einer Be-
dingung: einer von den Kammern zu sanktionierenden Erklärung
der Regierung, daß in den nächsten 15 Jahren oder noch länger
von einem Rückkauf und einer Verstaatlichung der Bahnen keine
Rede mehr sein dürfe. Der Finanzminister Say gilt durchaus nicht
für frei gegenüber dem Hause Nothschild und der sog. haute finance.
16. Febrnar. Kammer: Das Ministerium Freycinet scheint
dem Ministerium Gambetta an Reformprojekten nicht nachstehen zu
wollen. Der Instizminister Humbert bringt eine Vorlage bez. Ne-
form der Magistratur, der Unterrichtsminister Ferry eine solche bez.
Ernennung und Besoldung der Schullehrer ein.