410 Frankreih. (Okt. Mitte 28.)
Mitte Oktober. In Monceau les Mines sind neue Unruhen
ausgebrochen und dauern trotz zahlreicher Verhaftungen und der
Anwesenheit von 6 Bataillonen fort, wobei das Dynamit eine
Hauptrolle spielt. Der rein anarchische Charakter derselben kann
bereils nicht mehr verkannt werden. Auch in Lyon treten anar-
chische Versuche und Vestrebungen zu Tage und Dynamit-Attentate.
Man spricht bereits von einer „Dynamit-Epidemie“.
18. Oktober. Beginn des Prozesses wegen der Exzesse von
Monceau les Mines vor dem Geschwornengericht in Chalons fur
Saone. Die Zahl der Angeklagten beträgt 23, die der Zeugen 136.
Die Negierung hat große Vorsichlsmaßregeln getroffen.
23. Oktober. Das Auftreten der Revolutionäre und Anar-
chisten in der Provinz wird immer zügelloser.
In Lvon werden neue Dynamit-Attentale versucht und hält die „re-
volutionäre Föderation des Südostens“ eine ösfentliche Versammlung ab, in
welcher Reden gehalten werden, die jeder Beschreibung spolten. Man brand=
marlt nach einander unter den wildesten Ausdrücken die „infame“ Regie-
rung, die Polisei, die „kaiserliche“ Republik und erklärt sich für solidarisch
mit den Aufrührern von Monccau les Mines. Man entwickelt die fub-
versiuvsten Theorien und erklärt, daß dem unlerdrückten Arbeiter nur der
Dolch und das Dynamit übrig bleibe, um die Nechnung mit der Bour-
geoisie zu regulieren.
24. Oktober. Das Geschwornengericht von Chalons s. S. gegen
die Angeklagten von Monceau les Mines fufpendiert den Prozeß
angesichts der Drohbriefe, welche den Richtern und der Jury von
Paris und Auxerre zugingen und angesichts der anarchischen Ge-
waltakte von Lyon rc. und vertagt denselben auf die nächste Ge-
richtssession. Die Angetlagten bleiben bis dahin in Haft.
28. Oktober. Der Bey von Tunis, Mohammed es Sadok f.
Sein Bruder Ali Bey folgt ihm.
Nicht er selbst, sondern der franz. Ministerresident Cambon zeigt den
fremden Bertretern das Ableben des einen aund die libernahme der Re-
gierungsgewalt durch den anderen in einem Rundschreiben an. Schon am
11. Juli war mit dem verstorbenen Bey ein von diesem unterzeichneles und
besiegeltes und von seinem Premierminister gegengezeichnetes Projet de Traité
abgeschlossen und zur Ratifikation nach Paris geschickt worden, wo es aber
wegen der ägyptischen Frage verschoben wurde und durch den Schluß der
Kammersession verschoben blieb. Dasselbe betrifft die kompulsorische über-
tragung der tunisischen Staatsschuld von ca. 130 Mill. auf Frankreich,
die Abschaffung der gemischten Finanzkommission und die Herstellung von
französischen Tribunalen, was einc einfache Gerichtsprozedur an Stelle der
Kapitulalionen setzt und diese unterdrückt — alles ein weilerer entschiedener
Schritt zur völligen Annexion von Tunis.
28. Oktober. Die Durchführung des neuen Volksschulgesetzes
bietet große Schwierigkeiten und stößt vielfach auf Widerstand. Der