Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Ilalien. (Mai 9—11.) 419 
des Zwangskurses, im Belrage von 36.1 Mill. L., wird in London 
nur dadurch vollgezeichnet, daß die im Syndikat vertretenen ital. 
Bankiers den nicht gedeckten Rest telegraphisch auf sich nehmen. 
Der halbe Mißerfolg wird der Nichtbeteiligung des französischen 
Geldmarktes und diese wesentlich politischen Urfachen zugeschrieben. 
An dem schließlichen Gelingen der großen ital. Maßregel wird da- 
rum doch nicht gezweifelt. 
9. Mai. Kammer: Die Regierung setzt die Annahme des im 
November v. J. mit Frankreich abgeschlossenen Handelsvertrags mit 
172 gegen 85 Stimmen durch. 
Der Verlrag ist ein wirtschafllicher Sieg Frankreichs über Italien: 
er begünstigt die französische Einfuhr sehr wesentlich, benachteiligt dagegen 
den italienischen Erport in manchen Artikeln und namentlich die italienische 
Küstenschifffahrt. Die ösfentliche Meinung in Jlalien war daher demjelben 
überwiegend sehr wenig gewiigt. Aber Frankreich halte gedroht, wenn der 
neue Vertrag nicht spätestens bis zum 15. d. M. votiert sei. Dieser Drohung 
fügen sich Nammer und ir unn welche letztere um jeden Preis das Ver- 
hältnis zu Frankreich nicht noch schlechter will werden lassen, als es ohne- 
hin ist. Auch der Senat fügt sich der Zwangslage. 
11. Mai. Kammer: genehmigt den entscheidenden Artikel der 
ihr von der Regierung gemachten Militärvorlage, durch welche die 
italienische Armee um ca. 100,000 Mann und das Militärbudget 
um ca. 10 Mill. vermehrt und auf 200 Mill. erhöht wird. 
Italien verdankt militärisch das, was es seit 1859 geworden ist, 
mehr seinem Glück, als jeinen eigenen Leistungen und Cpfern. Die „Groß- 
macht J Italien ist militärisch nur eine mittlere Macht geblieben. Ihre 
beifiunaetaat als Bundesgenossin in einem Kriege gilt allgemein nicht für 
sehr hoch. Die geringe Stärle der italienischen Armee an Neiterci besähigt 
sie zu einer selbständigen Osffensive außerhalb der eigenen Landesgrenzen 
überhaupt nicht. Organisiert lediglich für die Eigentümlichkeiten des ita- 
lienischen Kriegs schauplahes, ist auch die numerische Stärke für. die reine 
Defensive im eigenen Lande nur eine verhällnißmäßig geringe. Die italieni- 
he Kriegsverwaltung ist sich dessen wohl immer bewußt gewesen. Die 
militärische Selbstprüfung der Italiener bei Gelegenheit der durch die fran- 
zösische Expedition nach Tunis entstandenen allgemeinen Aufregung hat dazu 
wesentlich beigetragen, die Italiener und ihre Volksvertreter geneigt zu 
machen, die vom Kriegsminister zur Stärkung der MWehrkraft verlangte 
Heeres corganisation durchgehen zu lassen. Freilich befriedigt dieses Organi- 
sationswerk nur halb, denn geschaffen wird damit immer noch keine Armee 
mit genügender Offensivkrast. Das Element der Kavallerie und Artillerie 
hat darin eine entsprechende Vermehrung nicht erfahren. Indessen man be- 
denkt zunächst die notwendigsten Anforderungen für die Verteidigung des 
eigenen Bodens und hofft sicher in nicht ferner Zeit auf eine Stärkung 
auch des offensiven Elemenls im Heere. Außerdem verschlingt die fleißig 
betriebene Befestigung Roms, sowie die beschlossene Vermehrung des Armee- 
materials so viel Geld, daß der Kriegsminister nicht beanspruchen durfte, 
durch die Armee- Meorganisalion das Ordinarium des Budgets allzu sehr zu 
belasten. Nach dem bisherigen Gesetz von 1873 belrug die Feldarmee im 
  
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