Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Slalien. (Sept. 20 Oftt. 15.) 123 
20. September. In Rom wird der Jahrestag der italienischen 
Besitznahme der Stadt wie alljährlich durch den Magistrat, Ver- 
treter der Armee und zahlreiche Deputationen und Vereine als all- 
gemeiner Festtag gefeiert. 
25. September. Ein kal. Dekret schließt erst jetzt die Session 
des Parlaments. 
29. September. Die Organe des Vatikans verkünden, daß 
der Papst auf seinem Grundsatz beharre, die Klerikalen dürften an 
den bevorstehenden Wahlen sich weder als Wähler noch als Ge- 
wählte beteiligen. 
6. Oktober. Ein lgl. Dekret löst die Kammer auf und ordnet 
die Neuwahlen, nach dem neuen Wahlgesetz, auf den 20. Oktober, 
Stichwahlen auf den 5. November an. Das Dekret wurde längst 
erwartet und die Wahlbewegung ist bereits in vollem Gange. 
8. Oktober. Der Ministerpräsident Depretis eutwickelt in 
seiner Wahlrede zu Stradella das Programm der Regierung. 
Dasselbe lnüpft an sein gleichfalls in Stradella genau vor 6 Jahren, 
am S. Oktober 1876 entwickeltes Regierungsprogramm der damals zuerst aus 
Ruder gekommenen Linken an und weist auf das hin, was bieher geschehen 
sjei: Die bevorstehende vollständige Beseitigung der so drückenden wie ver- 
haßten Mahlstener, die ebenso sicher bevorstehende .Beseitigung des Zwangs- 
lurses, die nunmehr erreichte Beseitigung des Defizils, die Umwandlung 
desselben in steigende überschüsse der Finanzen und die beschlossene große 
Wahlreform, alr die vier großen Errungenschaften der Herrschaft der 
Linken. Für die Zukunft gipfelt jein Programm in dem Satze: Aufrecht- 
haltung der Verfassung und der nationalen Monarchie — gegen die Be- 
strebungen der Radikalen und der NRepublikaner. Beziglich der Klerikalen 
erklärt er, an der bisherigen Kirchenpolitik der Regierung selbstverständlich 
sestzuhalten und daß ihnen gegenüber das Garantiegesetz die äußerste Kon- 
zession bilde, weil’ sie mehr als hinreichend sei, um der geistlichen Gewalt 
Achlung zu verschaffen. „Wer von unmöglichen Restaurierungen träumt, 
wird in uns unerbitlliche Feinde finden“. Den sog. Moderati (Konservativen) 
öffnet er die Arme: „Wer in unsere Neihen eintreten, wer mein bescheidenes 
Programm annehmen, wer eine Umwandlung vornehmen und Forkschritts- 
mann werden will, den kann ich natürlich nicht zurückweisen; auch dem Ar- 
beiter der letten Stunde hat der göttliche Meister den gleichen vollen Lohn 
zuerkannt". Das Programm findet von fast allen Seiten die lebhafteste 
Zustimmung und vermehrt die Hosfnung, daß die bevorstehenden Wahlen 
der Regierung eine große und feste Mehrheit verschaffen werden. 
15. Oktober. Auch Minghetti konstatiert in seiner Wahlrede 
als einer der Führer der Konservativen den Wunsch der öffentlichen 
Meinung, daß sich in der neuen Kammer eine homogene Majorität 
bilde, um ein ernste, gerechte und starke Regierung zu unterstützen; 
doch thut er es nicht ohne einige Vorbehalte — eine „ehrenvolle 
Kapitulation der Konservativen mit Beibehalt der Waffen.“
	        
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