Schweiz. (Juli 11 — Anf. Aug.) 431
Bundesverfassung (der genügenden, obligatorischen und unentgeldlichen
Unterricht und die ausschließlich staatliche Leitung der Bolksschule
fordert) und zum Erlaß der bezüglichen Gesehesvorlagen nötigen Er-
hebungen über das Schulwesen der Kantone zu machen und zu diesem
Zweck dem Departement einen Erziehungssekretär mit einer Jahres-
besoldung bis auf 6000 Fr. beizugeben.
Der Beschluß wurde mit ansehnlichen Mehrheiten. gesaßl, stieß aber
von vorneherein auch auf eine äußerst lebhafte # Opposition. Es läßt sich
zwar nicht längnen, daß das Volleschulwesen in einer Angahl kleiner,
namentlich latholischer Kantone, wie Uri. Appenzell J. Nh., Schwyz. Wal-
lis Kc.. nicht auf der Höhe der übrigen Kantone uhn und daß derselbe viel
mehr unter der Leitung der Kirche ale des Staates sieht. Diesen Zuständen
will nun der Bunderrat und die Mehrheit der Räte, ohne zweisel in der
besten Meinung. ein Ende machen, Annachst durch eine Engquete, nachher aber
durch Maßregein, wornnter sast nur ein eidg. Schulgesetz verstanden werden
kann, obgleich die Berechtigung daw, eine Fweifelhafte und bestriltene ist.
Gerade das aber wird in den kath. Kantonen und in allen lonservativeren
Kreisen gefürchtet als ein neuer, wesentlicher Eingriff in die lantonale Au-
tonomie und ein weiterer wesentlicher Schritt zum Einheitssystem, nicht
eigentlich die Enquete und der eidg. Schulsekretär, die aber bekämpft werden,
weil man sie für die Einleitung zu diesem weiteren Ziele betrachtet. Eine
Vermittlung ist kaum moglich. Der Grund liegt darin, daß die Bundes-
verfassung zwar den Religionsunterricht durchaus nicht von der Schule aus
schließt, wohl aber einen Religionennterricht fordert, der allen Konfessionen
gerecht werden soll, was geradezu unmöglich ist, wosern man nicht unter
Religion einjach Moral versteht, was freilich den Anschauungen der Mehr-
heit der z. Z. in der Schweiz herrschenden Parteien entsprechen dürfte. Ein
sehr erheblicher Teil des schweizerischen Vollee teilt jedoch diese Anschauung
entschieden nicht und was dem Bunderrate und der Mehrheit der Räte bei
ihrem Beschlusse als Endziel unzweifelhaft vorschwebt, widerspricht jedenfall
der Natur, dem Voll-charaller und der ganjen Geschichte der kath. Berg-
lantone. Unterliegen sie hierin, so ist der Föderalismus ein definitiv über-
wundener Slandpunkt und der GEinheite staat d. h. die unbedingte Herrschaft
der Mehrheit eine vollendete Thatsache. Dies steht fest, obgleich, wie ge-
sagt, in einer Reihe von RKankonen das Schulwesen, das in anderen auf
eine sehr hohe Sluse gebracht worden, ein sehr mangelhaftes ist, wie die
Rekrulenprüsungen beweisen, und ohne einheitliche Gestallung vielfach auch
wohl bleiben wird.
II. Juli. Der konservative eidg. Verein beschließt in Olten,
gegen den Beschluß der Bundesversammlung bez. des eidg. Schul-
sekretärs das Referendum zu ergreifen und mit allen ihm zu Gebole
stehenden Mitteln zu betreiben. Infolge davon wird sofort eine
energische Agitation behufs Sammlung von Unterschriften ins Werk
gesetzt.
30. Juli. Das Volk verwirft ein von der Bundesversamm-
lung beschlossenes Seuchengesetz mit 247,629 gegen 67,432 und ebenso
ein Erfindungsschutzgesetz mit 151,119 gegen 139,529 Stimmen.
Anfang August. Der Bundesrat hat durch sein Dep. des