Schmeden und Norwegen. (Anf. Juli.) 4490
wenigstens in Norwegen nicht auf zulommen. Diesem seindlichen Anpralle
Legenüber verharrt der König in der Slellung einer würdevollen Abwehr.
Das scheint denn auch die einzig richlige Haltung zu sein; denn materielle
Mittel, um der offenbar revolntionären Agitation entgegenzutrelen, besißt
der König nicht.
Formell dreht sich der Streit um das Veto-Recht der Krone. Be-
züglich einer Veränderung des Grundgesetze# selbst nimmt der König als
selbstverständlich und wohl auch mitl vollstem Recht ein unbedingtes Velo
in Anspruch. Dagegen gewährt das Grundgesetz dem König für gewöhnliche
Gesetze nur ein fuspentives Veto; eine Vorlage, die dreimal vom Storthing
angenommen ist, erhält auch oyhne die königliche Sanklion Geseyeskraft. Aber
wie steht es mit finanziellen Veichlüssen. zu denen man z B. die Forderung
von Diäten rechnen kann? Tie Majorität des Storthings behauplet, hier
stehe der Kronc ein Veto gar nicht zu und sie habe die Forderung der
Bertretung lediglich zu erfüllen. Die Krone dagegen vertritt den Stand-
punkt, ihr sei hier ein uneingeschränktes Beto gestattet, da die Verfassung
die Einschränkung des Velos lediglich für Gesetzes vorschläge statniere. Wäh-
rend also das Storthing an dem Vetlo des Königs einen Eingriff in jeine
Machtsphäre sieht, klagt die Krone die Majorilät an, sie wolle die grund-
gejehlichen Rechte der RAegierung #chmälern. und beide Teile berufen sich auf
die Verfassung. So schließt die Legielaturperiode des Skorthings nach dieser
Richtung hin mit einem Kouflilt, der im Herbst bei der Totalerneuerung
des Storthings zunächst seine Lösung durch die Wähler finden soll.
Anfang Juli. (Norwegen.) Die Agitation für die im Herbst
stattfindenden Storthingswahlen beginnt schon jetzt und zwar in sehr
energischer, rückhaltloser Weise seitens der Vauernpartei.
Auf Lilleströmmen in Ackerschus-Amt stellt Sverdrup sein Pro-
gramm auf: 1) das Aufrechthalten des Beschlusses vom 9. Juni 1880,
2) die Erweilerung des Stimmrechts auf alle selbständigen Männer, 3) das
VBolk in Waffen (Milizwerfassung), 4) Einführung der Jury, 5) Reformen
in der Kommnunalverwaltung, Erweiterung der kommunalen Selbstregierung.
Das große Ereignis der Bewegung ist jedoch eine Nede, die Björnstern-
Björuson in einer Versammlung zu Stillestad im Stifte Drontheim hält,
zu der etwa 3000 Bauern erschienen waren. Stillestad ist der alte Wahl-
platz, wo das heidnische Bauernheer und das Heer Olaf des Heiligen zu-
sammenstießen, und der Letztere nach einem bluligen Kampfe mit seinem
ganzen Heere von den Bauern niedergehanen wurde. Mit diesem denk-
würdigen Kampie vor Angen hatte man natürlich Stillestad zum Sammel-
platze für die größle politische Volksversammlung gewählt, die in Norwegen
bisher stattgefunden hat. Björnson hält eine Rede, die so revolutionär wie
möglich ist. Er fordert direkl zur Beseitigung des Königtums und Auf-
hebung der Union mit Schweden auf. „Wenn das Königtum nicht das
absolute Velo aufgeben könne" — sagt Bj jörnson — „dann müßte das Volk
das Königtum aufgeben.“ Bei der bevonlehenden Storthingswahl handle
es sich um nichts Geringeres, als um die Besiegung des absoluten Betos
und des Königlums. Diese Außerungen sinden nach den Berichten der ra-
dikalen Organe „donnernden Beifall“. In einzelnen radikalen Blättern
beginnt man denn auch schon, darüber zu diskutieren, wie man sich am
zweckmäßigsten einzurichten habe, falls man sich für die Republik entschließen
sollte. So schnell geht es indes doch nicht. Die norwegischen Bauern sind
keine Frangosen. Was dagegen die königliche und schwedische Partei
anstrebt, plandert sie in Korrespondenzen deutscher Negünsengsbliuter. selbst
Schulthess. Europ. Geschichtslalender. XXNIII. Bd. 29