458 Rußland. (April 4—21.)
samsten Weise. Am 18. und 19. fanden ähnliche namenlose Verwüstungen
in Grygoriopol und Menddziborsz statt. Auch die Nachrichten, die aus
Mohilew am Dujepr anlangten, sind wahrhaft grauenerregend. Bisher
nennt man in Podolien allein im ganzen 17 Ortschaften, die verwüstet
worden i*l“
4. April. Der angebliche Käsehändler Kobesow in der Peters-
burger Gartenstraße, einer der hauptsächlichsten Urheber der Ermor-
dung Kaiser Aleranders und nach dem die Polizei schon lange
fahndete, wird endlich zur Haft gebracht. Sein wahrer Name ist
Bogdanowitsch.
9. April. Der Reichskanzler Fürst Gortschakoff wird unter
den lebhaftesten Anerkennungs= und Dankbezengungen endlich de-
finitiv entlassen und Staatsrat Giers, der bisherige thatsächliche
Leiter, zum wirklichen Minister des Ausw. ernannt. Die öffent-
liche Meinung namentlich des Auslandes erkennt darin eine ent-
schiedene Demonstration des Kaifers für den Frieden und gegen alle
panflavistischen Kriegsgelüste.
16. April. Der neue Unterrichtsminister Deljanoff erhöht
das Schulgeld an den höheren öffentlichen Unterrichtsanstalten und
schafft dadurch zahlreiche neue Unzufriedene in der ohnehin so ge-
fährlichen Klasse der Halbgebildeten.
Katkow erklärt sich in seiner Moskauer Ztg. gegen die Inden-
verfolgungen, die von Ignatieff nicht gerade unterstützt werden, die
er aber offenbar absichtlich gewähren läßt. Seine Gegner behaupten
aber, daß sein Gestirn sichtlich zu sinken beginne, wie schon die Er-
nennung v. Giers zum Minister des Ausw. zeige.
20. April. Der „Negierungsangeiger“ veröffentlicht einen kaif.
Befehl, durch welchen Militärpersonen verboten wird, öffentlich po-
litische Reden zu halten oder öffentliche Kritik zu üben, da dies
dem Geiste der Disziplin widerspreche.
21. April. Das „Armeeverordnungsblatt“ veröffentlicht einen
kais. Erlaß, nach welchem nunmehr auch die Truppenteile des Garde-
korps — Kürassiere, Ulanen und Husaren ausgenommen — die neue
Uniform nach altrussischem Schnitt erhalten.
Die gesamte Maßregel der Neu-Uniformierung hat ihre Bedentung.
Die bisherige Uniform der russischen Armee lehnte sich nicht nur änßerlich
an die preußische an, sondern sie hatte auch durch ihren enganliegenden
Schnitt, der die Haltung des einzelnen Mannes auf das genaueste beurteilen
und kritisieren ließ, die Folge, daß der Rekrut, wenn er die neue Tracht
angog, sich wirklich in „Uniform“" als Soldat jühlte. Die neue Uniform
nach „nationalem Schnitt- dient diesem Zwecke keineswegs, der Bauerssohn,
der ais Nekrut in die Truppe eintrikt, wird sich nicht mehr des großen
Wechsels in seiner Lebensstellung bewußt sein. Er zieht dasselbe Kleid an,