Risland. (Juni 10—12.) 463
benen Gen. Kaufmann, zum Generalgonverneur von Turkeslan und
zum Kommandierenden des tirkestanischen Militärbezirks ernannt.
10. Juni. Ein. k. Ukas befiehlt die succesive Aufhebung der
Kopfsteuer und zwar:
1) den Ansang damit im J. 183 zu machen und diese Nesorm
allmählich, im Laufe einiger Jahre, nach Maßgabe neuer Einnahmequellen
durchzuführen, und 2) vom 1. Januar 18 3 an nicht mehr zu erheben:
#a. die Kopisteuer zum Vorteil der Krone von den Kleinbürgern; b. die
Kopfstener von den bei den Wolosten angeschriebenen besitzenden Bauern
und Hofslenten und e. die Kopfstener von den Vauern, welche von den
Gutebesitzern den vierten Teil der höchsten oder der vorgeschriebenen Norm
auf Grund des Art. 123 der groß russischen Verordnung erhalten haben.
Im nächsten Jahre wird der Finan zmminister durch den Reichsrat dem Kaiser
seine Vorschläge über die allmähliche Aufhebung der Kopfsteuer und ihre
Ersetzung durch nene Einnahmequellen zur Bestätigung vorlegen.“
12. Juni. Sturz Ignatieff's als Minister des Innern.
Ein k. Ulas an den Senat meldet demselben jeine Enthebung, infolge
eines mit Gesundheitsrücksichten motivierten Demissionsgesuches, und die Er-
nenunng des Akademie-Präsidenten Grasen Tolstoi zum Minister des Innern.
Das Ereignis lnüpft unmitlelbar an die Ernennung v. Giers zum Minister
des Auew. an und seine Vedenkung, mmal für das Aueland, wird darin
erkannt, daß die auswärtige Politik sortan gan) und voll Orn. v. Giers
überlassen bleiben solle. Es ist eine Art Rückflut gegen die Skobelefs-Gpisode
und eine abentenerliche Kriegs politik: Europa, namentlich Deutschland und
Ssterreich, kann wieder einigermaßen bernhigt aufalmen, der zwischen Ruß-
land und Frankreich so eijrig hin und her gesponnene Faden scheint abge-
rissen zu sein. Der Sturz Ignatiess'e in Rußland vervollständigt für Deutsch-
land den Stur) Gambetta's in Frankreich. In Rußland ist inzwischen der
Eindruck der Ernennung Tolstoi's ein geradezu verblüffender und fast nur
dem des vorjährigen kais. Manifestes zu vergleichen. Der Personenwechsel
wird dem Einfluß Katkow's und Pobedonoszew's zugeschrieben. Die Ursachen
von Ignatiefj's Sturz liegen vorerst noch nicht ganz klar zu Tage. Seine
Stellung war allem Anschein nach schon seit einiger Zeit unhaltbar ge-
worden. Die Bresche, die Katlow in die Judenfrage gelegt, und Ignatieff's
Fiasko mit dem Projelte einer Wiederbelebung des Semski Sobor (Einbe-
rufung einer bloß beratenden Reicheversammlung) brachten ihn über Nacht
zu Falle. Die Hosparlei wirkte kräftig mit, und den letzten Anstoß gab
Ignatieffs Projelt mit dem Semsti Sobor, das er dem Zaren vor etwa
vierzehn Tagen in Rrofen Zügen entwickelte und wozu er dessen Zustim-
mung verlangte. Vor drei bis vier Tagen erschien Ignatieff in Peterhof,
um das ferlige Projekt dem 1Kaiser vorzulegen. doch der Zar nahm dasselbe
nicht entgegen woraus die Demission Ignatieff's erfolgte.
Graf Tolstoi ist ein wissenschaftlich gebildeter, anständiger Mann,
kein Panrasse aber ein Altrusse, keineswegs den Influengen des Wesleus
zugeneigt. Was durch ihn beseitigt ist, ist die heuchlerische gemeine Intrigue,
die Lüge auf Trilt und Schritt, der Verrat am und im gegebenen Worte,
der Tatarismus. Im Jahre 1843 in den Staaledienst gelreten, wurde er
im Jahre 18506 wirklicher Staatsrat, 1861 wirklicher Geheimrat. Im Jahre
1805 zum Unterrichtsminister ernannt, hatte er dies Amt bis 1880 inne,
wobei er sich durch seine schroffe Vertretung der Klassizität im Unterrichts-
system wenig beliebt machte. Als Ober-Prokurator des Synod war er ein
leidenschaftlicher Verfechter des orthodoxen Russentums, betrieb er die ge-