Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 14 —17.) 15
die späteren Organisationsgesetze weiter entwickelte Verwaltungsreform
vermöge schrittweiser Ausdehnung auf das gesamte Staatsgebiet unter gleich-
zeitiger Berücksichtigung des aus einer mehrjährigen Erfahrung sich ergeben-
den Revisionsbedürfnisses ihrem Abschlusse entgegenzuführen.“
Der Bestand der Fraktionen des preuß. Abg.-Hauses zu
Beginn der Session wird folgendermaßen angegeben: Die stärkste Partei sind
die Konservativen mit 109 Abgeordneten; es folgt das Zentrum mit 96,
die nationalliberale Partei mit 84, die Freikonservativen mit 49 der Fort-
schritt mit 37, die Polen mit 19 Mitgliedern; unter den 35 „Wilden“
dürften die meisten der Sezession angehören.
14. Januar. (Preußen.) Nachdem die Regierung die vom
Breslauer Domkapitel eingereichte Vorschlagsliste für den fürst-
bischöflichen Stuhl abgelehnt und alle oder doch fast alle darauf
gestellten Persönlichkeiten als minus gratae bezeichnet hat, beschließt
das Domkapitel, auf die Wahl des Bischofs seinerseits zu verzichten
und dieselbe dem Papst zu überlassen.
Auf der Vorschlagsliste des Domkapitels soll sich neben sechs durchaus
unannehmbaren Persönlichkeiten einzig der Name des Propsts Herzog in
Berlin befunden haben, den die Regierung nicht als persona minus grata
zu bezeichnen in der Lage war. Maßgebenden staatlichen Orts soll aber der
Kardinal Fürst Hohenlohe der eigentliche Kandidat der Regierung sein und
letzthin zwischen preuß. Staatsmännern und Vertretern der Kurie in Rom
gepflogene Unterhandlungen namentlich diese Personenfrage im Auge gehabt
haben, und die Regierung hoffe, daß sich der Papst in dieser Personenfrage
schließlich gefällig erweisen werde.
16. Januar. (Preußen.) Abg.-Haus: wählt, in Folge einer
erneuerten Koalition der Konservativen und Ultramontanen, v. Köller
(kons.) mit 350 von 364 Stimmen zum Präsidenten, v. Heeremann
(ultr.) mit 204 von 370 Stimmen zum ersten, und Stengel (freicons.)
mit 274 von 334 Stimmen zum zweiten Vizepräsidenten, nachdem
die Nationalliberalen die Wahl v. Benda's abgelehnt hatten.
17. Januar. (Deutsches Reich.) Reichstag: genehmigt die
Vorlage der Regierung betr. Erhebung einer Berufsstatistik (als
Grundlage für die sozialen Gesetze), schließt dagegen nach dem An-
trage der Kommission die damit von der Regierung in Verbindung
gebrachte Viehzählung aus.
17. Januar. (Preußen.) Abg.-Haus: die Regierung legt
demselben einen neuen kirchenpolitischen Gesetzentwurf vor. Der-
selbe lautet:
Art. 1. Die Art. 2, 3, 4 im Gesetz vom 14. Juli 1880 (s. den
Wortlaut im Jahrgang 1880 26. Juni) treten mit der Verkündigung des
gegenwärtigen Gesetzes wieder in Kraft. Art. 2. Einem Bischof, welcher auf
Grund der §§ 24 ff. im Gesetz vom 12. Mai 1873 durch gerichtliches Urteil
aus seinem Amte entlassen worden ist, kann von dem Könige die staatliche
Anerkennung als Bischof seiner früheren Diözese wieder erteilt werden.
Art. 3. Das Staatsministerium ist ermächtigt, mit königlicher Genehmigung