Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

50.1 Dereinigte Slanlen von Nordamerika. (Dez. 4.) 
den Republikanern nur die Staaten verblieben, deren meist aus polilisch 
unreisen Einwanderern bestehende Bevölkerung nicht Selbständigkeit geung 
besaß, um die alte, jest eingearbeitete Parteimaschine über den Haufen werfen 
zu können. Von verschiedenen Seiten wird uun darauf hingewiesen, daß neben 
der Wahlenthaltung vieler Yanlee-Republikaner insbesondere die deutschen 
Stimmen den Demokraten zum Siege verholfen haben. Das mag auch durch- 
aus zutreffen. in Bezug auf Newyork, Pennsylvanien, New-Jersey, Missouri, 
Maryland, Ohio, Indiana u. s. w. Blickt man aber auf die den Republi- 
lanern verbliebenen Staaten, so findet man in Illinois, Jowa, Nebraska, 
Michigan, Minnesota und Wisconsin eine festgeschlossene Ländermasse, in 
welcher das Deutschtum die weitaus überwiegende Bevölkerung bildet und 
in welcher doch das Zwingjoch der politischen Verderbtheit nicht abgeschüttelt 
werden konnte. — Bekannilich sind die Unterschiede zwischen den beiden 
großen amerikanischen Parleien nicht leicht zu definieren, europäische Vor- 
stellungen von dem Wesen einer politischen Partei treffen hier nicht zu, fest- 
stchende politische Grundsälze, ideale polilische Ziele gibt es jenseits des 
Secanss nicht. Es sind mehr Fragen der Macht, des materiellen Vorteils, 
3 persönlichen Interesses, um welche sich die dortigen polilischen Kämpfe 
Rtr und die Parteien wechseln Programme und Grundsätze, wie es das 
praktische Bedürfnis des Tages erfordert. Im allgemeinen kann man nur 
sagen, daß die aufsteigende demokratische Partei im Gegensah zu der repu- 
blikanischen keine Schuzölle will, sondern nur Finauz ölle, daß sie ein ge- 
mischtes Münzsystem in Gold, Silber und Papier verlangt und eine De- 
zentralisation der jehr im Argen liegenden Verwaltung anstrebt. Ferner ist 
hervorzuheben, daß die Demokraten sich nicht e sehr mit der Temperenz- 
twrannei liiert haben, wie die Republikaner. Die Niederlage der Republi- 
laner ist im weienklichen auf den inneren Zwiespalt in dieser Parlei zurück- 
zuführen. Die Hoffnungen, welche die republikanischen Civildienstreformer 
an die Administration von Hayes knüpften. sind nur zum allerkleinsten Teil 
in Erfüllung gegangen, Garsfield wurde das Opfer seiner gegen die Beutejäger 
gerichteten Bestrebungen und Präsident Arthur hat die Befürchtungen, die 
man an seine Verufung zur höchsten Gewalt knüpfte, nach Ansicht aller „ehr- 
lichen" Politiker nur zu sehr gerechtfertigt. Die Häupter des Korruptions= 
ringes, welche unter Garfield gestürzt wurden, stehen unter seinem Nachfolger 
wieder in alter Machtfülle. In einer Reihe von Staaten scheinen ganz un- 
zweifelhaft die Deutschen, deren politischer Einfluß mächtig heranwächst, den 
Ausschlag gegen die sog. republikanische Partei und ihre Bestrebungen ge- 
geben zu haben, oder vielleicht richtiger gesagt, das Deutschtum, worunter 
die Summe von Anschauungen zu verstehen ist, welche die aus Deutschland 
Eingewanderten oder der größte Teil ihrer Nachkommen, auch wenn sie die 
deutsche Sprache inzwischen mit der englischen vertauscht haben, über indivi- 
duelle Lebeneführung in moralischer, religiöser und gesellschaftlicher Hinsicht 
sich bewahrt haben. Diesen Anschauungen widerspricht aber die nicht frei- 
willige, sondern gesetzlich erzwungene absolute Temperenz, die nicht freiwillige, 
sondern erzwungene, überlriebene und vielfach geradezu pharisäische Sonn- 
tagsheiligung und der ehgherzige sog. Nativismus eines großen Teils der 
sog. republikanischen Partei 
4. Dezember. Zusammentritt des Kongresses: Botschaft des 
Präsidenten Arthur, Bericht des Schatzsekretärs Folger, Bericht der 
Zolltarif-Kommission. 
Die Botschaft des Präsidenten berührt zuerst die auswärtigen 
Verhällnisse, die Panama-Frage und die Neutralisierung der Telegraphen= 
Nabel und fährt fort: „Während wir einen Friedensschluß zwischen Chile und
	        
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