Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

512 übersichi der polilischen Enlwictlung des Jahres 1892. 
Frank. Das Jahr 1882 hat diese Pläne und Hoffnungen Frankreichs 
keichwuicht verwirklicht. Die Dinge kamen vielmehr ganz anders, als es 
in sich ausgedacht und erwartet hatte. Für die Türkei ging zwar durch 
Agypten-die Ereignisse desselben Afrika bis auf einen kleinen Rest ganz ver- 
loren, was einen weiteren und fehr bedeutsamen Schritt in der all- 
mäligen Abwickelung der orientalischen Frage bezeichnet; aber statt 
der Franzosen stehen die Engländer am Nil und haben Frankreich 
schließlich fast ebenso beiseite geschoben, wie dieses Italien im Jahre 
zuvor. Das Hauptereignis des Jahres ist in der That die Er- 
oberung Agyptens durch die Engländer. Denn Agypten ist durch 
seine Lage einer der Knotenpunkte der Weltherrschaft und die Ein- 
fügung dieses Landes in ihren Herrschaftsbesitz, mit dem sie die 
halbe Welt umspannen, ist von weittragendster Vedeutung. Noch 
zu Anfang des Jahres dachte England auch nicht von ferne an 
einen solchen Erwerb und konnte es auch nicht, wie die Dinge vor- 
erst lagen. Durch den Suezkanal hatte Agypten für England eine 
gang neue und gerademn vitale Bedentung gewonnen: die Sicherung 
der freien Schiffahrt durch denselben und damit der schnellsten und 
ungestörten Verbindung mit seinem indischen Reiche und mit ganz 
Ostasien konnte es unter keinen Umständen und um keinen Preis 
in Frage stellen lassen; aber der Suczkanal war vorerst noch in 
keiner Weise gefährdet. Agypten selbst hatte unter dem Kondominat 
Frankreichs und Englands nachgerade ein gang europäisches Ansehen 
gewonnen, die europäische Bevölkerung desselben vermehrte sich rapid 
und die Handelsbeziehungen zu dem Lande waren im erfreulichsten 
Fortschritte begrisfen. Die daselbst im J. 1881 ausgebrochenen 
Wirren waren auch England unbequem und das selbstbewußte Her- 
vortreten des arabischen Elementes konnte möglicherweise zu ernsten 
Verwickelungen führen, aber vorerst schien die Lage für die speziellen 
Interessen Euglands doch noch sehr ungefährlich zu sein. Anders 
waren die Lage und die Anschauungen Frankreichs. Obgleich seit 
fünfzig Jahren die Herren des Landes, war es den Frangosen in 
Algier in keiner Weise gelungen und hatten sie sich auch wenig 
Mühe gegeben, die arabischen Stämme zu befriedigen und zu ge- 
winnen. Der Aufstand in Tunis war kaum bewältigt und hatte 
eine Zeit lang auch die eingeborenen Stämme Südalgeriens mit sich 
gerissen; die Pforte hatte ihre Truppen in Tripolis verstärkt und 
nahm eine wo nicht drohende, doch wenigstens verdächtige Haltung 
an; und nun kam dazu auch noch die Erhebung der Eingeborenen
	        
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