Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 18.) 19
Vollstreckbarkeit nicht auf. § 29. Die Unternehmer und die Versiche-
rungsanstalten sind nicht befugt, die in diesem Gesetze enthaltenen Bestim-
mungen zu ihrem Vorteil im voraus auszuschließen oder zu beschränken.
Vertragsbestimmungen, sowie jede andere Übereinkunft, welche dieser Vor-
schrift zuwiderlaufen, haben keine rechtliche Wirksamleit. § 30. Die For-
derungen auf Schadenersatz verjähren in zwei Jahren vom Tage des Un-
falls gerechnet.
Der Entwurf soll keine grundsätzlich oppositionelle Demonstration
gegen die Regierung sein, sondern im Gegenteil dahin wirken, in der großen
und schwierigen Frage, welche durch die vorjährige Regierungs- vorlage (Un-
fallgesetz) angeregt worden, eine neue Grundlage zu einer nach der Auf-
fassung der liberalen Seite des Reichstags ersprießlicheren Erörterung zu
bieten. Jedenfalls ist es für die Sache ein Gewinn, daß sich damit auch
alle drei liberalen Gruppen zu dem Prinzip des Versicherungszwangs be-
kannt haben. Außerdem aber enthält der Entwurf zum mindesten einige
sehr schätzbare neue Gedanken, wie J. B. den Unfallkommissär und seine ver-
mittelnde Tätigkeit etc. Dagegen überbindet derselbe die neue Last aller-
dings ganz und ausschließlich der Industrie d. h. den Betriebsunternehmern,
sieht von einem Staatszuschuß ganz ab und kennt auch keine Karenzzeit.
Der Zentralverband deutscher Industrieller (Schutzzöllner) protestiert
denn auch sofort gegen den Entwurf und erklärt ihn in einer Petition an
den Reichstag von vorneherein für unannehm- bar; „Durch die neuen in
ihrer Tragweite gar nicht absehbaren Lasten, welche dieser Entwurf der
deutschen Industrie aufbürdet, wird dieselbe nicht nur in ihrer Konkurrenz-
fähigkeit gegen das Ausland empfindlich beeinträchtigt, sondern es wird vor
Allem der Unternehmungsgeist völlig gelähmt, und gerade dadurch der Ar-
beiter am meisten geschädigt werden. Der Zentralverband deutscher Indu-
strieller hat wiederholt die volle Bereitwilligkeit der deutschen Industrie
ausgesprochen, die Frage- der Unfallversicherung auf einer breiteren Basis
zu lösen und erhebliche Opfer dafür zu übernehmen; in dem gegenwärtig
eingeschlagenen Wege kann derselbe indeß eine gedeihliche oder auch nur er-
trägliche Lösung derselben nicht erkennen."
17. Januar. (Preußen.) Große Delegierten-Konferenz der
deutsch-konservativen Partei in Berlin hauptsächlich mit Rücksicht
auf die im Herbst bevorstehenden allgem. Abg.-Wahlen,
welche von einem mächtigen Anlauf zur Verbesserung und Befestigung
der Organisation, zur Vorbereitung einer wirksamen Agitation in Presse
und Vereinen, zur Schaffung zweckentsprechender lokaler, provinzieller und
zentraler Verbände, zur Herstellung einer besseren Verbindung unter den
verschiedenen Parteivereinen, zur Aufbringung größerer Geldmittel u. dgl.
zeugt. Der Vorschlag einer Verschmelzung aller konservativen Elemente wird
nicht gemacht, zumal er von den Freikonservativen als eine Zumutung,
sich selbst aufzugeben, zum voraus entschieden abgelehnt worden war.
18. Januar. (Deutsches Reich.) Behufs Agitation für
Einführung der Doppelwährung bildet sich in Berlin ein bimetal-
listischer Verein, welchem eine Anzahl Reichstags= und Landtags-
abgeordneter aus der konservativen, der freikonservativen und der
Zentrumspartei angehört.
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