Ubersichl der polilischen Enlwickelung des Jahres 1882. 517
auch das von den Notabeln beschlossene neue Wahlgesetz, sowie ein
weileres Gesetz, das die Zahl ihrer Mitglieder verdoppelte, um ihren
Beschlüssen noch mehr Gewicht als bisher zu verschaffen. Die Ge-
neralkonsuln Frankreichs und Englands beruhigten sich aber ihrer-
seils nicht, sondern beharrten auf ihrem Prolest, vorerst jedoch ohne
Erfolg. Die Nationalpartei gewann stetig an Macht und an Ein= Arabi
fluß: Arabi Bey, ihr Haupt, wurde zum Pascha und Kriegsminister 28ce.
ernannt und war bald die Seele des Ministeriums, dem der Präsi-
dent nur den Namen gab. Aber zwischen ihm und dem Khedive
gingen die Wege allmählig scharf auseinander. Arabi duldete keiner-
lei Widerstand. Im Mai wollte er eine Verschwörung gahlreicher
tscherkessischer Offiziere gegen sich entdeckt haben; er ließ sie ge-
fangen setzen, durch ein Kriegsgericht verurteilen und in verschiedene
Städte Oberägyptens zur Internierung verbannen. Der Khedive
begnadiglte sie jedoch Zzu einfacher Verbannung. Da beschloß der
Ministerrat, die Notabelnversammlung, die inzwischen neu gewählt
worden war, eigenmächtig und ohne erst die Zustimmung des Khedive
einzuholen, nach Kairo einzubernsen. Der Khedive wandte sich gegen
diese Verletzung seiner Prärogative an die Generalkonfuln und diese
traten auf seine Seite, brachen allen Verkehr mit dem Ministerium ab
und verlangten weitere Instruktionen in Paris und London. Die
Frage der Intervention trat zum zweitenmal an die Negierungen heran.
Schon vorher hatte England einen Meinungsaustausch zwischenzie eng-
den Mächten über die ägyptische Frage angeregt und der deutsche lisch.
Reichskanzler bei dieser Gelegenheit seine Ansicht dahin ausgesprochen, ne-
daß eine gemeinsame Intervention Frankreichs und Englands wo Flotten=
immer möglich vermieden werden sollte, da sie leicht zu Weiterungen rnon
und Streitigkeiten zwischen ihnen selbst führen könnte; dagegen wäre ·
der Sultan als immer noch nomineller Souverän von Ägypten am
besten in der Lage, wenn er wolle und sich darüber mit Frankreich
und England verständige, die Dinge wieder ins Geleise zu bringen,
da die Agypter es kaum wagen würden, ihm als ihrem politischen
und religiösen Oberhaupte ernsthaften Widerstand entgegenzufetzen.
England war dazu nicht ungeneigt, da es zu einer Intervention
mit Frankreich fortwährend ganz und gar keine Lust hatte. Auch
Frankreich war unter Freycinet für eine Intervention viel weniger
Hitzig, als unter Gambetta; aber von einer Intervention des Sultans
wollte es durchaus nichts wissen, da dieß nach seiner Ansicht gar
nichts anderes wäre, als den Bock geradezu zum Gärtner zu machen.