Die
ägyp.
lische
Frage.
520 übersicht der polilischen Enlwichelung deo Zahres 1882.
zu einer allgemein europäischen geworden. Ursprünglich und solange
es sich nur darum zu handeln schien, Agypten und die armen Fellahs
einem unerträglichen Drucke als Ausbentungsobjekt für ihre herz-
losen europäischen Gläubiger und ihre Wucherzinsen zu entziehen,
hatten Arabi und seine Nationalpartei auch in Europa viele Sym-
pathien gefunden. Seither aber hatte sich die Lage der Dinge total
verändert: die Antorität des Khedive war thatsächlich vernichtet
und statt feiner herrschte Anarchie oder, wenn man lieber will, eine
rein revolutionäre Gewalt, von der man nicht wissen konnte, wohin
sie eigentlich ziele, der man aber das Schlimmste zuzutrauen be-
rechtigt war. Das Gemetzel in Alexandrien, dem eine Massenaus-
wanderung der Europäer aus diesem, aus Kairo und den übrigen
größeren Städten des Landes folgte, und die Wahrscheinlichkeit, ja
Gewißheit, daß der Sultan mit Arabi unter Einer Decke stecke und
die Wirren absichtlich und planmäßig befördere, um im Trüben zu
fischen, ließen kaum mehr einen Zweifel darüber, daß es sich darum
handle, die Europäer ganz aus Agypten zu verdrängen und das
Land für den Islam zurückzuerobern. Das aber konnten nicht nur
Frankreich und England, sondern ganz Europa nie und nimmer
zugeben. Agypten ist ein zu wichtiges Verbindungsglied zwischen
Europa und Asien: es muß unbedingt mehr und mehr der europäi-
schen Kultur gewonnen, es muß gewissermaßen Curopa einverleibt,
es darf nicht wieder dem Islam und türkischer Barbarei preisgegeben
werden. Man mag der eingeboren arabischen Bevölkerung, welche
Freiheiten immer gewähren und sichern und alles Mögliche thun,
um ihr Dasein zu einem menschenwürdigen zu machen: aber Handel
und Verkehr in und über Agypten darf nicht ihrem unkundigen
Eingreifen anheimgestellt werden und dem Einströmen des europäi-
schen Geistes muß eine breite Gasse bleiben, ob sie nun damit ein-
verstanden sei oder nicht. Dennoch stand bei Einberufung der Bot-
schafter-Konferenz der Gedanke einer Intervention der Pforte allseitig
in erster Linie, nicht nur weil es der Pforte unzweifelhaft am
leichtesten gewesen wäre, den Knoten zu lösen und Agypten wesent-
lich auf der Grundlage des status quo ante zu pazifizieren, wenn
sie das gewollt hätte, sondern auch weil jede andere Intervention
fast unüberwindliche Schwierigkeiten bot. Frankreich und England
hatten zwar angefangen zu rüsten und sich auf alle Eventualitäten
vorzubereiten, unterhandelten auch fortwährend lebhaft mit einander
über die ägyptischen Dinge, aber im Grunde nährten beide ein