Das
Ministe-
rium
Frey.
cinet.
530 Übersiht der polilischen Enkwichelung des JZahres 1882.
daß sie im Gegenteil im Begriff war, ihm entschieden den Rücken
zu kehren. Am 14. legte er der Kammer seinen Entwurf einer
Verfassungsrevision vor, die er auf eine Neform der Rechte des Se-
nats und auf die Einführung des Listenskrutiniums für die Wahl
der Kammer beschränkte. Die Neform des Senats erregte keinen
besonderen Beifall, aber auch nicht das Gegenteil; man war geneigt,
sie hinzunehmen. Nicht ebenso jedoch das Listenskrutinium: die Mehr-
heit der Kammer war sichtlich nicht geneigt, ihre Mandate, die sie
erst vor einigen Monaten mit so viel Mühe und vielfach auch mit
nicht unbedeutenden Kosten errungen hatte, schon wieder in Frage
stellen zu lassen, um im günstigsten Fall mit neuen Mühen und
neuen Kosten lediglich das zu behaupten, was sie jeßt schon hatte.
Schon bei der Wahl der Kommission für die Vorberatung der Vor-
lage trat das zu Tage: von 33 Mitgliedern war nur ein einziges
unbedingi für die Vorlage und die Kommission beschloß denn auch
ohne Zögern, der Kammer zwar vorläufig die Genehmigung einer
Reform des Senats, aber die Verwerfung des Listenskrutiniums zu
beantragen, und wählte zum Berichterstatter einen ausgesprochenen
Gegner Gambetta's. Sein Sturz war nur noch eine Frage von
Tagen. Er erfolgte am 26. Januar: die Kammer verwarf nach
einer Debatte, die durchaus nicht auf der Höhe der Sitnation stand,
weil die Frage zum voraus als eine entschiedene betrachtet wurde,
das Listenskrutinium mit 305 gegen 117 Stimmen und genehmigte
den Kommissionsantrag als Ganzes mit 262 gegen 91 Stimmen.
Gambetta war endgültig unterlegen, das Ministerium nahm sofort
seine Entlassung und wurde von Grevy durch ein Kabinet Freycinet
ersetzt, in welchem Leon Say die Finanzen, Ferry den Unterricht
übernahmen. Gambetta war aber nicht bloß unterlegen, er geriet
vielmehr zunächst in totalen Mißkredit und mußte es sich gefallen
lassen, in Marseille öffentlich geradezu verhöhnt zu werden.
Von dieser Seite hatte das neue Kabinet zunächst nichts zu
besorgen. Die Mehrheit der Kammer nahm dasselbe beifällig auf
— ein anderes wäre auch kaum möglich gewesen — und erteilte
ihm ein Vertrauensvotum; aber auf eine feste Majorität in der-
selben konnte Freycinet doch nicht zählen; eine solche gab es in der
Kammer überhaupt nicht und jeßzt noch weniger als je. Die Kam-
mer war sichtlich nur froh, wenigstens von Gambetta erlöst zu sein
und von der Unruhe, die alles in Frage gestellt hatte. Seine An-
regungen wurden allseitig fallen gelassen: selbst die Senatsreform