536 Ubersicht der polilischen Enlwickelung des Jahres 1882.
bloße Minderheit der Nation und zudem unter sich nichts weniger
als einig, sondern tief zerspalten, auch sind ihre Führer nur Schreier
und an sich nicht sehr gefährlich. Was dagegen nicht geleugnet
werden kann, ist, daß die Idee einer geordneten, festgegründeten Re-
publik unter allen diesen Erscheinungen Schaden litt und daß das
Verlangen nach einer festen Hand, nach einer sicheren Leitung ge-
fährlich nahe lag, selbst wenn es eine monarchische sein sollte.
Am 9. November traten die Kammern wieder zusammen und
damit trat zugleich auch allmälig wieder einige Veruhigung ein.
Aber das schwache Ministerium Duclerc blieb. Einer kräftigen
Kammer erstes Geschäft wäre es gewesen, dieses sofort durch eine
starke Regierung zu erfetzen und dann freilich auch fest zu ihr zu
stehen. Dazu fühlte sie sich indes ganz außer stande, ja es wurde
auch nicht einmal ein derartiger Versuch gemacht, oder auch nur
angeregt. In der That fehlte es augenblicklich Frankreich an den
dazu geeigneten Männern; die einen waren bereits abgenützt und
andere, an die man vielleicht hätte denken können, hatten keine
Lust, sich dieser Kammer gegenüber vor der Zeit abzunützen. So
machte man fort wie bisher und so gut oder schlecht als es eben
ging, wenn man auch allgemach zugeben mußte und es auch ge-
radezu ansgesprochen wurde, daß Frankreich zur Zeit so zu sagen
„regierungslos“ sei. Das wichtigste, was die Kammer bis zu Ende
des Jahres beraten und fertig bringen mußte, war das Budget für
1883 und wenigstens hierin zeigte das Kabinet Duclerc einige Selb-
ständigkeit. Wie der Finanzminister Say den Vudgetentwurf seines
gambettistischen Vorgängers zurückgezogen hatte, so zog der Finanz-
minister Tirard denjenigen Say's zurück. Tirard konnte sich doch
nicht dazu entschließen, den Staat mit gebundenen Händen, gewisser-
massen auf Gnade und Ungnade den großen Bahngesellschaften und
der hohen Finang zu überliefern, nur um das Defizit zu vermeiden,
und es gelang ihm, dafür auch erst die Budgetkommission und dann die
Kammer selbst zu gewinnen. So wurde wenigstens für das zunächst
folgende Jahr noch auf die Hilfe der großen Vahngesellschaften
verzichtet und follte das Defizit, das allerdings nicht zu vermeiden
war, durch den Staatskredit gedeckt werden. Doch sland die über-
zeugung fest, daß jene Hilfe nicht zu vermeiden sein würde, wofern
man nicht auf die Fortführung der großen Staatseisenbahnbauten
in der bisherigen Weise nach dem sog. Projekt Freycinet verzichte
und wenn nicht die Kammer in der Bewilligung außerordentlicher