542 übersicht der politischen Enlwichelung des Jahres 1882.
wieder gefährlich hätten werden können, ein für allemal ein Ende
gemacht hat. So wie die Dinge liegen, lehnen sich die Deutsch-
Osterreicher in ihrer nationalen Bedrängnis ohne Hintergedanken
weder gegen das neue deutsche Reich noch gegen das alte Osterreich
mit Herz und Hand an das stammverwandte Deutschland an und
bilden für die Allianz zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn
eine immerhin nicht gering anzuschlagende Stütze, obgleich ihre
Stimme in SÖsterreich augenblicklich allerdings eine nichts weniger
als maßgebende ist. Als Hort des Friedens für Mitteleuropa aber
ist die Allianz vollkommend genügend. Dieselbe hat indes sogar
Slalienseine Erweiterung durch Italien erfahren, das sich ihr im J. 1882
tng. thatsächlich, wenn auch allem Anschein nach noch nicht durch eine
förmliche übereinkunft angeschlossen hat. Selbst in diesem Falle
aber könnte man nur sehr uneigentlich von einer Tripelallianz
sprechen. Für Deutschland hat eine Allianz mit Italien politisch
nur einen bedingten Wert, für Ssterreich-Ungarn wäre sie aller-
dings ungleich wertvoller, aber doch nur unter der strikten Voraus-
setzung, daß die italienische Regierung gewillt und im stande sei,
alle irredentischen Gelüste energisch und auf die Dauer niederzu-
halten. Und das erscheint einigermaßen zweifelhaft: die Abneigung
gegen Österreich ist in Italien noch keineswegs überwunden und die
irredentistischen Gelüste walten offenbar in viel weiteren Kreisen vor,
als diejenigen sind, die bisher positiv dafür agitiert haben, und wer-
den kaum unterdrückt werden können, so lange die beiden mittel-
europäischen Mächte Italien nicht andere greifbare Vorteile an-
zubieten in der Lage sind, was zur Zeit wenigstens nicht der Fall
ist. Trotzdem ist der Anschluß oder das Zusammengehen Italiens
mit Deutschland und Ssterreich, selbst wenn es nur ein zeitweiliges
sein sollte, für die Sicherung des Friedens von eminentem Werte
und konnte nicht verfehlen, auf die öffentliche Meinung Europas,
namentlich auch Frankreichs, einen gewaltigen Eindruck zu machen.
Das über die Machtstellung des Deutschen Reiches nach außen
zwic herrscht denn auch in Deutschland selbst nur Ein Gefühl der Be-
friedigung. Daß es je wieder auseinanderfallen könnte, wird kaum
von irgend einer Seite mehr gehofft, von gar keiner mehr gefürchtet.
Es wächst im Gegenteil ganz von selbst innerlich immer mehr zu-
sammen. Schon daß der Kaiser, Vismarck, Molkke, die drei her-
vorragendsten Gründer desselben, ihm solange über die gewöhnliche
Dauer des Menschenlebens hinaus erhalten bleiben, erscheint als ein