Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

554 übersicht der polilischen Enkwichelung des Jahres 1882. 
wenn er zum Ziele, wie er sich dieses dachte, kommen wollte. Noch 
vor der Verwerfung des Tabakmonopols hatte er in Preußen einen 
neuen Stenererlaß an der Klassen= und Einkommensteuer im Be- 
trage von 6 Mill. —& vorgeschlagen, den er mit Hilfe der Fortschritts- 
partei im Landtage auch durchsetzte, und diesem ein neues Verwen- 
dungsgesetz für die erst zu bewilligenden neuen indirekten Reichs- 
stenern vorgelegt, das er jedoch nicht durchsetzte, das vielmehr ziemlich 
kurzerhand abgelehnt wurde. Dieses Verwendungsgesetz hätte we- 
nigstens die Bedürfnisfrage bez. neuer indirekter Reichstenern für 
Preußen und von Preußen feststellen und so dem Tabakmonopol 
Vorschub leisten sollen, weshalb in demselben auch neue Reichs- 
steuern im Betrage von ca. 188 Mill. ins Auge gefaßt worden 
waren, ein Betrag, dem nicht einmal das Tabakmonopol genügt 
hätte. Das preußische Abgeordnetenhaus erschrack auch förmlich 
vor solchen ungeheuren Summen, was nicht am wenigsten zu der 
raschen Ablehnung der ganzen Vorlage beitrug. Dieser Weg, die 
bloße, gewissermaßen nur theoretische, Feststellung des Bedürfnisses 
neuer indirekter Steuern in großem Maßstabe, war dadurch un- 
gangbar geworden und der Reichskanzler mußte vielmehr eine Art 
lait ac#compli von Preußen aus beschaffen, wenn er auf seine Pläne 
überhaupt, sei es nun in dieser oder jener Weise, im Reichstage 
zurückkommen wollte. Dazu entschloß er sich denn auch und zwar 
um so eher und mit mehr Aussicht, als die Neuwahlen zum preußi- 
schen Abgeordnetenhaufe am 26. Okt. gegen die Hoffnung der Linken 
und zu gunsten der Konservativen, auf die er mehr oder weniger 
zählen zu können glaubte, ausgefallen waren, deren Reihen wesent- 
lich verstärkt erschienen, freilich nicht auf Kosten der Radikalen, son- 
dern auf Kosten der Mittelparteien, die starke Einbußen erlitten. 
Am 14. Nov. wurde der preußische Landtag durch eine Thronrede 
des Kaisers und Königs eröffnet, die sofort eine neue durchgreifende 
Vorlage in der Steuerreformfrage ankündigte: die gänzliche Auf- 
hebung der vier untersten Stufen der Klassensteuer. Die Steuer- 
befreiung sollte alle Einkommen bis auf 1200 .+é. im Jahr um- 
fassen, etwa 4 Millionen Steuerträgern zu gute kommen und sah 
einen Ausfall von ca. 14 Mill. “ jährlich voraus, der zunächst 
nicht durch das Reich und neue Reichssteuern, sondern aus eigenen 
preußischen Mitteln gedeckt werden sollte. Die Vorlage wurde von 
der Regierung am 28. Nov. im Abgeordnetenhaufe eingebracht: die 
Deckung des Ausfalls sollte durch eine Lizenzsteuer auf Tabakfabrikate
	        
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