überlicht der polilischen Eulwickelung des Jahrts 1882. 561
ein allerdings energischer Versuch des katholischen Klerus, die Zügel
des Staats abzuwerfen und neuerdings eine gewisse Herrschaft über
diesen anzustreben. Zu diesem Ende hin sollte das Ministerium Lutz
um jeden Preis gestürzt und dadurch einem sog. katholischen Ministe-
rium wenigstens die Vahn gebrochen werden. Der Versuch scheiterte
indeß trotz aller wiederholten Anstürme gänzlich, das Ministerinm
blieb fest und die ultramontane Parlei mußte sich mit einigen sehr
geringfügigen Errungenschaften von überdieß ziemlich zweifelhaftem
Werte begnügen. Sehr bezeichnend aber war es, daß der reaktionäre
Ansturm zunächst an der I. Kammer und in letzter Linie an dem
entschiedenen Willen des Königs scheiterte, das heißt also an den
konservativen Elementen des Landes und an der Monarchie. Da
alle ultramontanen Anträge und Beschlüsse schon vom Reichsrate
oder der I. KRammer zurückgewiesen wurden, so hatte der Monarch
sogar nicht einmal Gelegenheit, direkt einzugreifen; es genügte
schon seine bloße Eristenz und das sichere Vewußlfein, daß der König
den Stand der Cntwickelung, den Vayern feit hundert Jahren mit
Anstrengung aller Kräfte errungen hat, wieder preiszugeben nicht
gewillt, vielmehr entschlossen sei, die Rechte des Staats als solchen
und des ganzen Staats gegen die Wünsche eines einzelnen, wenn
auch noch so bedeutenden Teils energisch zu wahren, worüber er
allerdings in seinem Handschreiben an den Ministerpräsidenten keinen
Zweifel ließ.
Wenn also Deulschland auch noch dieß und jenes und sogar 5
sehr vieles zu wünschen übrig bleibt, wenn namentlich seine parla-
mentarischen Zustände entschieden unbefriedigende sind, und die Volks-
vertretung im Reiche und in Preußen unter der Leitung des Reichs-
kanzlers nicht diejenige Stellung einnimmt und nicht denjenigen
Einfluß ausübt, den die Nation zu beanspruchen berechtigt ist, so
ist dieser Zustand doch nur ein zeitweiliger und vorübergehender,
so ruht das Reich doch sicher auf einer von keiner Seite in Frage
gestellten Grundlage und wird es sein Gleichgewicht früher oder
später zuversichtlich schon wieder finden, während Osterreich seit vier
Jahren seine frühere Grundlage verlassen hat, sich gegenwärtig auf
einem schwankenden Boden bewegt und einer ganz unberechenbaren
Zukunft entgegengeht. Die Slavisierung desselben hat auch im
Jahre 1882 wieder Fortschritte gemacht unter dem Einfluß der
herrschenden Majorität des Reichsrats, deren freier Ausdruck das
Ministerium Taaffe zwar nicht ist, der dieses aber Schritt fur Schritt
Schulihess, Europ. Geschichtslalender. XNXIII. Vd.
ster-
reich.