Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

UÜbersict der polililchen Eulwichelung des Jahreo 1882. 565 
Majoritäl des Reichsrats hat indes eine fatale, verwundbare Stelle 
und die ist, daß sie die dentsche Opposition an Zahl nicht erheblich 
überragt und daß ihre Majorität nur dann eine sichere ist, wenn 
die deutschen Ultramontanen auch serner zu ihr halten, wie sie es 
bisher gethan haben. Allein die Herrschaft der flavischen Rechten 
des Reichsrats hatte bis dahin nur den Polen, den GCzechen und 
den Slovenen, die sich darüber teils unter einander, teils mit der 
Regierung vereinbarten, wobei der Grundsatz von „Zug um 3ug“ 
in ebenso prägnanter als charakteristischer Weise zu Tage trat und 
die Unselbständigkeit und Abhängigkeit der Regierung ins hellste 
Licht stellte, Vorteile gebracht, während die Ultramontanen leer aus- 
gegangen waren. Schließlich aber waren sie es satt, der Majorität 
eine so uneigennützige Heeresfolge zu leisten; denn wenn sie auch an 
sich im Reichsrate nur eine nicht sehr zahlreiche Fraktion vorstellen, 
so wußten sie doch sehr wohl, wie notwendig, ja wie ganz unerläß- 
lich unter Umständen ihre Stimmen der flavischen Partei waren, 
um so mehr als ihre Partlei außerhalb des Reichsrats eine viel 
gnahlreichere und ihr Einfluß im Lande, in der Regierung und selbst 
am Hose ein sehr manmigsaltiger und mächtiger geblieben ist. Die 
Neigung, katholische Politik zu treiben, scheint in Esterreich eine 
ganz unausroktbare zu sein. Mas nun die Klerikalen in ihrem 
Interesse sorderten, war in erster Linie eine Veschränkung der wäh- 
rend der Herrschaft der liberalen Ara durchgesetzten achtjährigen 
Dauer der allgemeinen Schulpflicht, in zweiter aber die Schule 
wieder zu einer ausgesprochen konfessionellen, das heißt mit an- 
deren Worten, sie allmählich wieder dem bestimmenden Einfluß der 
Kirche und des Klerus dienstbar zu machen. Den Führern der kle- 
rikalen Partei in Ssterreich fehlt es nun so wenig als anderswo 
an Selbstbewußtsein, an Keckheit und an Zähigkeit. Einer der- 
selben, Fürst Liechtenstein, stellte der Majorität des Reichsrats und 
der Regierung kurzweg eine Art Ultimalum, indem er erklärte, er 
sei in der Lage, mit der Uhr in der Hand zu bestimmen, bis wann 
die von seiner Partei geforderte Schulgesetzuovelle bewilligt sein 
müsse; im Falle des Nichtentsprechens drohte sie eben mit ihrem 
übertritt zur Opposition, wodurch sie dieser mit Einem Schlage die 
Majorität verschafft und das Regiment Taafse auf den Sand gesetzt 
haben würde. Die Negierung ließ es jedoch nicht darauf ankommen. 
Nachdem ein Antrag der Slaven, den Einfluß der Landtage auf das 
Volksschulwesen zu verstärken, zweimal an der damals noch liberalen
	        
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