Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Übersicht der polilischen Eulwichelung des Zahrts 1882. 571 
nach ihren Fortgang nehmen, aber doch nur einen ziemlich lang- 
samen und bis die Magyaren ihre Deutschen gang oder auch nur 
in einem erheblichen Maße werden ausgesogen haben, wird immer- 
hin noch eine ziemliche Zeit verstreichen. Im Übrigen sind die 
Ungarn eifrig bestrebt, sich von aller allzu engen Verschlingung 
mit Österreich nach und nach los zumachen, um möglichst auf eigene 
Füße stehen zu kommen. Bezüglich der Eisenbahnen ist ihnen das 
im J. 1882 so jiemlich gelungen und bezüglich der Armee wird es 
ihnen binnen nicht allzu langer Zeit wohl auch gelingen. Eine 
nicht ganz kleine Partei möchte sogar noch weiter gehen und die 
Verbindung zwischen Ungarn und Ssterreich auf eine reine Personal- 
union zurückführen. Mit der gZeit kann es vielleicht auch dazu 
kommen. Vorerst sehen indes die Staatsmänner und alle besonnenen 
und einflußreicheren Männer Ungarns ein, daß Ungarn dazu noch 
lange nicht genug vorbereitet ist und widerstehen allen derartigen 
Versuchen. 
Die gemeinsame und auswärtige Politik Ssterreich- „Ungarns Zieotlu- 
blieb insolge des Bündnisses mit Deutschland wesentlich dieselbe wie vierten 
bisher. Vermullich hat es auch dem Umstande, daß Deutschland vunzen. 
hinler ihm fland, zu verdanken, daß der Aufstand, der zu Anfange 
des Jahres in den olkupierten Provinzen und in Süddalmatien 
ausbrach und nicht ohne außerordentliche Anstrengungen bewältigt 
werden konnte, zu keinen weiteren Verwickelungen führte, wozu in 
Rußland einige Lust sich geltend machte, wie die Außerungen des 
General Skobeless und manche andere Umstände zeigten. Die ganz 
verkehrte kroatisch-katholische Verwaltung der beiden Provingen von 
Seite OÖsterreichs scheint den Aufstand verschuldet und fast provoziert 
zu haben. Die Verlegenheit, die durch denselben immerhin Ösler- 
reich bereitet wurde, öffnete glücklicherweise an maßgebender Stelle 
in Wien die Augen: der bisherige Unterstaatssekretär des Auswär- 
tigen, v. Kallay, ein mit dem Orient und seinen Anschauungen 
und Bedürfnissen wie mit den in jenen Provinzen herrschenden 
Sprachen verlrauter Mann, wurde zum gemeinsamen Finanzmini- 
ster und Minister für die beiden Provingen ernannt und ging sofort 
an die Aufgabe, die Verwaltung derselben von allen unfähigen Ele- 
menten zu säubern und mit den Gewohnheilen derselben mehr als 
bisher in Einklang zu bringen. Ein Element der Stärke sind die 
Provinzen für Ssterreich-Ungarn jedenfalls nicht, vielmehr ein ziem- 
lich koslspieliges Pfand und ihre Okkupalion läßt sich nur dadurch
	        
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