Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Die 
Ballan- 
halb- 
insel. 
572 Übersicht der polilischen Entwichelung des Zahreo 1882. 
rechtfertigen, daß sie für Ssterreich eine Notwendigkeit gewesen sei, 
wenn es Nußland auf der Valkanhalbinsel nicht vollkommen freie 
Hand lassen wollte, was in der That sehr bedenklich gewesen wäre. 
Einer erneuerten Anstrengung, wie sie Ssterreich im J. 1882 machen 
mußte, waren diese Provinzen allein jedenfalls nicht wert: gegen 
nicht viel mehr als 5000 bewaffnete Aufständische mußte SÖsterreich 
nicht weniger als 75,000 Mann aufbieten, weil das Land geradezu 
noch einmal erobert werden mußte. Diese unverhältnismäßige mi- 
litärische Anstrengung hatte noch eine weitere Folge, indem eine 
wahrscheinlich schon vorher geplante Armeereform in diesem Jahre 
noch zur Ausführung kam. Dieselbe beruht im wesentlichen in der 
Einführung des Territorialprinzips, wie es in Deutschland besteht, 
und wurde noch vor Ende des Jahres durchgeführt, da es ohne er- 
hebliche Mehrkosten geschehen und die Regierung deshalb größten- 
teils von Bewilligungen der Parlamente Umgang nehmen konnte. 
Militärisch bietet sie jedenfalls große Vorteile, namentlich weil sie 
eine viel schnellere Mobilisierung, was heutzutage fast eine Not- 
wendigkeit ist, ermöglicht. Ob sie aber nicht dem gegenwärtig in 
Ssterreich herrschenden Nationalitätendrange einen gefährlichen Vor- 
schub leistet und die Armee selbst allmählich auseinanderreißt, wird 
erst die Zukunft zeigen. 
Die Aspirationen Österreichs nach Osten und der Balkan= 
halbinsel ruhten während des ganzen Jahres 1882 oder machten 
wenigstens keinerlei Fortschritte, mußten ja die beiden okkupierten 
Provinzen gegen einen Aufstand der widerwilligen Bevölkerung mit 
sehr erheblichen Opfern soviel als noch einmal erobert werden. Ob- 
gleich nach dem Berliner Vertrage nur okkupiert, betrachtet und be- 
handelt sie Öslerreich thatsächlich als vollständiges Eigentum: die 
Bevölkerungen wurden, wenn auch nur im allerbescheidensten Maße, 
zum österreichischen Militärdienste herbeigezogen und die bisherige 
Zollgrenze zwischen ihnen und der Monarchie beseitigt. Für die 
Sicherung seiner südlichsten Provingen und als Stützpunkt für all- 
fällige weitere Erwerbungen im Fortgang der allmäligen Auflösung 
des türkischen Reichs sind sie Ssterreich unstreitig von einem gewissen 
Werte, zunächst aber und auf ganz unbestimmbare Zeit hinaus doch 
nur ein unsicherer und höchst kostspieliger Besitz. Auf der ganzen 
Balkanhalbinsel stößt Ssterreich selbst in seinen berechtigtesten Be- 
strebungen auf unüberwindliche Schwierigkeiten. Eine gewisse Herr- 
schaft über die Schiffahrt auch auf der untern Donau von seiner
	        
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