Übersicht der polilischen Eulwichelung des Jahrro 1882. 577
büßt haitte, dort teilweise wieder einbringen zu können, verkannte aber
dabei seine prekäre Lage so gänzlich, daß er schließlich auch dort nur
einen neuen Verlust zu verzeichnen hatte. Erst ganz zu Ende des
Jahrs fiel es ihm ein, wieder einige sog. Reform-Kommissionen nieder-
Jusetzen. Allein von solchen Kommissionen und ihren Anträgen bis zu
wirklichen Ausführungen ist in der Türkei meist ein sehr weiter Weg.
Unglücklicherweise ist das nicht nur in der Türkei, sondern auch
in Rußland der Fall. Rußland ist seit der Ermordung Alexanders II.
in seinen Grundvesten erschüttert; im Jahre 1882 ist aber wenig
oder eigentlich gar nichts geschehen, um ihm eine solide Entwickelung
irgendwie anzumeisen, geschweige denn irgendwie zu verbürgen. Es
ist durchaus nicht abzusehen, wohin die russischen Dinge möglicher
Weise schon in der nächsten Zukunft eigenllich hinaus wollen. Der
Kaiser, der für sein Leben zu fürchten alle Ursache hatte, blieb von
der Außemwelt abgeschlossen und fast wie ein Gefangener, den Winter
über in dem einsamen Jagdschloß Galschina, siedelte dann für den
Sommer nach Peterhof über und kehrte im Spätherbst wieder nach
Gatschina zurück, um nur hie und da Petersburg zu besuchen. Die
Kaisermörder und eine erhebliche Anzahl anderer Nihilisten wurden
im Laufe des Jahres in einer Reihe großer Staatsprozesse gericht-
lich abgeurteilt und teilo zum Strang teils zu lebenslänglichem
Kerker oder zur Verbannung nach Sibirien verurteilt. Die Alten-
tale auf hochstehende Beamte hörten zwar nicht gang auf, aber der
Nihilismus trat allmälig doch unzweifelhast einigermaßen in den Hin-
tergrund. Diejenigen Schichten der Bevölkerung, aus denen er zu-
nächst hervorgegangen war, waren geneigt, vorerst zuzusehen, welche
Bahnen der neue Herrscher etwa einschlagen werde, und zudem scheint
es, daß der Nihilismus durch die gahlreichen Festnehmungen und
Verurteilungen in seinen leitenden Elementen einigermaßen desor-
ganisiert worden sei und einiger Sammlung bedurfte. Daß er jedoch
verschwunden oder gar überwunden sei, glaubte niemand. Er ist
ein Produkt der russischen Zustände und der russischen Gesellschaft,
wie sie sich in den letzten Jahrzehnlen entwickelt haben, und solange
diese dieselben bleiben, ist daran nicht zu denken. Die mächtige
Unterlage des ungeheuern Reiches, die eigentlich bäuerliche Bevöl-
kerung ist zwar zu irgend welcher politischen Veränderung noch lange
nicht reif und verlangt darnach auch gar nicht; aber sie hat viel-
fach materielle Gründe zur Unzufriedenheit, die durch eine teilweis
schlechte Ernte noch gesteigert wurde: selbst die Aufhebuns der Leib-
Schulthess, Gurop. Geschichtslalender. XXIII. Bd.
Nuß-
land.