578 übersicht der politischen Enlmichelung des JZahrts 1882.
eigenschaft ist zum Teil noch nicht durchgeführt, zum Teil hat sie nicht
alle diejenigen Folgen gehabt, die von ihr erwartet worden waren.
Die gesamten höheren Klassen aber, alles, was über dem eigent-
lichen Bauer steht, die ganze sog. Intelligenz ist der Meinung, daß
der Absolutismus der kaiserlichen Gewalt, wie er sich in dem Wirken
der Behörden und der Beamten fast ohne Ausnahme von oben bis
unten darstellt, sich überlebt habe und daß es an der Zeit wäre,
dieselben durch neue politische Gestaltungen zu ersetzen. Natürlich
gehen hiebei die Ansichten und Wünsche weit auseinander: die einen
würden sich mit den bescheidensten Zugeständnissen gern begnügen,
andere sind in ihren Erwartungen wenigslens mäßig, noch andere
dagegen in ihren Forderungen ganz unmäßig. Sehr deutlich unter-
scheiden sich namenklich zwei Strömungen und treten sich scharf ent-
gegen: die eine verlangt Reformen im Sinne und nach dem Bei-
spiele der andern westlichen Nationen Europas, wobei bezüglich der
Art und dem Maße solcher Reformen immer noch ein unendlicher
Spielraum offen bleibt, sie wird die Partei der Westler genannt
und findet ihren Hauplsitz und Stützpunkt in Petersburg; die an-
dere geht dagegen von dem alten heiligen Moskau und den einfluß-
reichen Publizisten Katkow und Aksakoff aus, verwirft von vorneherein
alle von außen importierte und nur aufgepfropfte Civilisation, will
vielmehr aus der Tiefe und der ursprünglichen Eigenart des russischen
Volkes schöpfen und deshalb frischweg hinter die Zeit Peters des
Großen und seiner gewaltigen Neuerungen gurückgehen. Wie sie sich
das denkt und was sie eigentlich will, ist übrigens noch sehr unklar;
die Dinge sind seit bald zwei Jahrhunderten so weit gediehen, daß sie
mehr noch gegen das schon Vestehende als gegen erst Einzuführendes
sich zu wenden genötigt ist und sich mehr als Opposition gegen jenes
darstellt, bezüglich der Zukunft aber sich vielfach bloß in allgemei-
nen, ziemlich dunkeln Phrasen ausdrückt; nur soviel hebt sich daraus
deutlich ab, daß sie an den Absolutismus der kaiserlichen Gewalt
nicht rühren lassen will und mit ihr die Interessen der Kirche in
unauflösliche Verbindung zu bringen sucht. Der Kaiser steht wesent-
lich auf ihrer Seite, seine vorzüglichsten persönlichen Ratgeber ge-
hören ihr an und so ist es ihr denn bisher gelungen, alle Reformen
im westlichen, europäischen Sinne vollständig hintanzuhalten. Aber
die Folge davon ist doch nur eine Art Gleichgewicht der Kräfte und
eine Art Stillstand in der weiteren Entwickelung Rußlands nach
dieser oder jener Seite hin, der auf die Dauer unmöglich vorhalten