Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

26 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 24.) 
Meiningen ausgeübt und seine amtliche Autorität gegen die Regierung ins 
Gewicht geworfen hat. Meine Herren, das war gerade eine solche feindliche 
Agitation gegen seine ihm vorgesetzte herzoglich meiningische Regierung, die 
ihrerseits mit den Gesetzen und der Polilik, die vom Reiche betrieben und 
von Seiner Hoheit dem Herzoge von Meiningen mit beschlossen war, voll- 
ständig einverstanden war. Ich bin also der Meinung, daß ein solcher po- 
litischer Beamter, der in Meiningen, wie ich damals hörte, fehlerhafterweise 
nicht absetzbar ist. — über solche Kleinigkeiten können sie immer lachen, 
über Meiningen reicht der Fehler nicht hinaus — wenn ein Beamter in 
seiner Stellung gegen seine eigene Regierung, gegen die Reichsregierung, 
gegen die von seiner Regierung gebilligte Reichspolitik seine amtliche Auto- 
rität in die Wagschale legt. — ich weiß es nicht, ob er gelobt worden wäre, 
wenn er für die Regierung etwas getan hätte; aber dagegen — das 
fällt unter den Erlaß; wenn es in Preußen vorkommt, und wird jedenfalls 
danach gehandelt werden. Ich kann mich also dahin refumieren, daß Seine 
Majestät der König vollständig berechtigt war nach der Verfassung und nach 
den preußischen Gesetzen, sich in der Weise, wie geschehen, zu äußern, daß 
ich vollständig im Stande bin, die Verantwortlichkeit, die ich durch die 
Kontrasignatur übernommen habe, der Verfassung und dem Gesetze gegenüber 
zu tragen, daß ich als Reichskanzler ebenso berechtigt war, den Reichsbeamten 
das mitzuteilen, was ich für sie von Interesse oder Nutzen zu lesen halte; 
sie haben keine Weisung bekommen, irgend etwas zu tun; ich habe es 
bloß für zweckmäßig gehalten, daß sie wissen, wie ihr Kaiser, dem sie ihrer- 
seits Treue und Gehorsam geschworen haben, als König von Preußen über 
die Tragweite eines solchen Eides denkt. Es ist vielleicht doch der Eine oder 
Andere darunter feinfühlig genug, um sich zu sagen: ist es eigentlich, wenn 
ich so evident mit der Agitation heraustrete, daß ich einem Arbeiter seine 
Zettel wegreiße und ihm andere gebe, ihn bedrohe, — ist das eigentlich 
mit meinem Eide ganz übereinstimmend? Das Nachdenken darüber hat Seine 
Majestät anregen wollen; kein Befehl, keine Drohung ist da. Die Ver- 
fassung also, meine Herren, ist klar; Sie haben selbst nichts beibringen 
können, was dem widerspricht, und ich habe hier als preußischer Bevoll- 
mächtigter im Namen des Königs zu erklären, daß Seine Majestät der 
König sich seine verfassungsmäßigen Rechte weder nehmen noch verkümmern, 
noch sich selbst so hoch in die Wolken schrauben läßt, daß er sie nicht aus- 
üben könnte, sondern daß der König entschlossen ist, in dem durch seine 
Vorfahren überkommenen und gewohnten, durch die Regentenpflicht ihm 
vorgeschriebenen Wechselverkehr mit seinem Volke zu bleiben, und daß ich 
als Minister entschlossen bin, dem Könige auch dabei kämpfend zu dienen 
aber als Diener und nicht als Vormund.“ v. Bennigsen (nat.-lib.) und 
v. Stauffenberg (Sezess.) erklären sich mit dieser Auffassung von der 
Stellung der Beamten zu und in den Wahlen durchaus einverstanden, jedoch 
nicht ohne beizufügen, daß der Erlaß vom 4. Januar eben in den weitesten 
Kreisen und zwar namentlich auch der Beamten nicht so verstanden worden 
sei und auch fast notwendig anders habe verstanden werden müssen. 
24. Januar. (Bayern.) I. Kammer: lehnt ihren Beitritt 
zu der von der ultramontanen Mehrheit der II. Kammer unter dem 
4. November 1881 (s. d.) beschlossenen Beseitigung der Simultan- 
schule gegen den Antrag ihres Ausschusses (Referent Bischof Dinkel) 
mit 30 gegen 24 Stimmen ab und genehmigt dagegen mit 34 gegen 
20 Stimmen einen vermittelnden Antrag des Präsidenten des pro-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.