Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 25.) 45 
Amtsgenossen für das treue Ausharren unter so großen Schwierigleiten 
gerne Meine warme Anerkennung aus und versichere Sie etc." 
Die Absicht des kgl. Handschreibens kann nicht zweifelhaft sein: der 
König spricht seine volle Billigung der Haltung des Ministeriums seit dem 
Beginn der Kammersession aus und will sich die Entlassung derselben von 
der ultramontanen Kammermehrheit nicht abtrotzen lassen. Die Rechte 
des Staats gegenüber hierarchischen Gelüsten und damit die Möglichkeit 
des paritätischen Staats, der Bayern ist, will er entschieden aufrecht erhalten 
wissen. Nicht bloßer Zufall wird es ferner sein, daß das kgl. Handbillet 
kurz vor Beginn der Beratung des Kultusetats erfließt; vielleicht darf man 
es geradezu als eine indirekte Antwort der Krone auf die staatsrechtliche 
Deduktion des Kultusetatsreferenten Dr. Rittler über die Konkordatsfrage 
und die Tegernseer Erklärung betrachten. Unter solchen Umständen verliert 
die vorstehende Beratung des Kultusetats nach der politischen Seite hin fast 
alles Interesse. Die Opposition wird sich mit einer Anzahl, allerdings nicht 
großer und entschieden nicht prinzipieller Konzessionen, die der Minister ihr 
bereits in Aussicht gestellt hat und zu deren  Genehmigung der König bereit 
ist, begnügen müssen. 
Zwischen dem Handschreiben des Königs von Bayern und dem Erlaß 
des Königs von Preußen ist ein gewisser Unterschied. Allerdings hat auch 
in Bayern der König verfassungsmäßig das Recht, sich die Minister zu 
wählen und damit „die Politik des Staates nach eigenem Ermessen zu leiten 
und sich ein ultramontanes Ministerium nicht von der Mehrheit der II. Kam- 
mer aufdrängen zu lassen, aber das deutet der König als selbstverständlich 
nur indirekte an. Sein prägnantes persönliches Hervortreten hat zunächst 
einen anderen Zweck. Die gesamte ultramontane Presse, und die ll. Kammer 
wiederhallt seit einiger Zeit von dem Rufe: das katholische Volk in Bayern 
seufzt unter dem liberalen Drucke! Die kalholische Kirche ist in Gefahr! 
Das wäre nur wahr, wofern die katholische Kirche in Gefahr und unter- 
drückt ist, wenn — sie nicht über der Staat herrscht. Das ist in Wahr- 
heit wohl der Punkt, der den König von Bayern bewogen haben wird, 
seine Meinung in feierlicher und unzweideutiger Weise kundzugeben. Nicht 
weil er „das Recht des Königs, die Regierung und die Politik des Staates 
nach eigenem Ermessen zu leiten, bedroht glaubt, nicht um „über das ver- 
fassungsmäßige Recht des Königs zur persönlichen Leitung der Politik der 
Regierung jeden Zweifel zu beseitigen,“ sondern „um die unzweifelhaften 
und notwendigen Rechte des Staates gegen alle Bestrebungen zu schützen, 
welche darauf abzielen, diese Rechte“ — nicht des Königs zur Leitung der 
Regierungspolitik sondern — „des Staates zurückzudrängen und Staat und 
Kirche in eine unheilvolle feindliche Stellung zu bringen.“ In dem Erlaß 
des Königs von Bayern handelt es sich also nicht um Wahrung der ver- 
fassungsmäßigen Rechte der Krone, sondern um Wahrung der Rechte 
Staates in dem von den ultramontanen Führern wieder heraufbe- 
schworenen Kampfe zwischen Staat und Kirche. 
25. Februar. (Deutsches Reich.) Der Gesetzentwurf betr. 
Einführung des Tabakmonopols ist den Regierungen zugegangen. 
Die Motive sollen nachfolgen. 
Der Gesetzentwurf ist sehr umfangreich und detailliert. Der wich- 
tigste Abschnitt ist der erste, der die allgemeinen Grundlagen für das Mo- 
nopol enthält und folgenden Wortlaut hat: „§ 1. Der Ankauf von Roh- 
tabak, abgesehen vom Ankauf zur Ausfuhr in den Fällen des § 26, die 
Herstellung von Tabaksfabrikaten und der Verkauf von solchen stehen aus- 
 
	        
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