48 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 28.)
wirtschaftsrate mehrere Vorlagen gemacht, namentlich der Gesetz-
Entwurf über das Tabakmonopol, dem besondere „Erläuterungen"
beigegeben sind, und ein Gesetzentwurf betr. Abänderung der Gewerbe-
ordnung behufs Einschränkung des Hausierhandels.
Bei dem Gesetzentwurfe über den Gewerbebetrieb im Um-
herziehen (Hausierhandel) handelt es sich in erster Reihe weniger um die
Einzelbestimmungen, als um die Aufrechterhaltung oder Abänderung des der
Gewerbeordnung von 1869 zu Grunde liegenden Prinzips der vollen Freiheit
von Handel und Verkehr. Trotz der Schäden und Nachteile, die der Hau-
sierhandel in der von ihm angenommenen Gestalt unläugbar an sich trägt,
ist nicht zu verkennen, daß er in seiner Gesamtheit auch nicht unbeträchtliche
Elemente enthält, deren geschäftliche Tätigkeit vollkommen berechtigt und
unanfechtbar ist. Gewisse Bevölkerungsklassen finden auf diese Weise ihren
legitimen Erwerb und haben sich mit dieser Beschäftigungsart vertraut ge-
macht. Als die Regierung in die Frage über Beschränkung des Hausier-
handels eintrat, wurde zunächst erörtert, ob man den Grundsatz der Ge-
werbeordnung brzüglich der allgemeinen Verkehrs- freiheit bestehen lassen oder
dieses Prinzip insoweit durchbrechen soll, als man den Hausierhandel mit
gewissen Waren ganz untersagt. Mit dem letzteren Schritte würde man neben
der Abstellung allgemein anerkannter Übelstände auch gewisse wohlberechtigte
und untadelhafte Existenzen schädigen und vernichten. Obgleich hunderte
von Petitionen sich für das angedeutete Verbot ausgesprochen haben, konnte
sich die Reichsregierung, und insbesondere Fürst Bismarck, doch nicht ent-
schließen, den (Grundgedanken der Gewerbeordnung auch nur in einem Punkte
aufzugeben. Das Gesetz enthält nur allgemeine Beschränkungen für den nicht
seßhaften Verkehr, läßt aber die Handelsfreiheit für Waren und Personen
voll bestehen.
Den Erläuterungen zum Tabakmonopolentwurf entnehmen
wir folgende Motive und Zahlenangaben: „Bereits in der am 17. März 1881
dem Reichstage vorgelegten Denkschrift wurde dargelegt, daß Deutschland in
der Entwicklung der indirekten Steuern im Vergleich zu anderen Ländern
zurückgeblieben sei, auch daß mit der Annahme des Zolltarifs und Tabak-
steuergesetzes ein befriedigender Zustand der Reichsfinanzen und der der Einzel-
staaten noch nicht erreicht sei. Inzwischen ist das Abgabenwesen des Reiches
fast nur auf dem Gebiete der Stempelsteuergesetzgebung entwickelt worden,
und die Erschließung anderer Finanzquellen erscheint notwendig. Hiezu sind
vor allem der Tabak und die geistigen Getränke in Anspruch zu nehmen,
der erstere um so mehr, als die Ausnutzung der Steuerkraft des Tabaks in
Deutschland ganz unverhältnismäßig weit zurückgeblieben ist. Das englische
System empfiehlt sich nicht, weil dadurch der inländische Tabakbau inhibiert
würde; das amerikanische (die Fabrikatsteuer) nicht, weil dasselbe u. a. ohne
Rücksicht auf die Verhältnisse der Ware wirkt. Dem Rohtabakmonopol
stehen mancherlei praktische Schwierigkeiten entgegen, und „als das für
Deutschland geeignetste System einer hohen Tabakbesteuerung stellt sich daher
in Übereinstimmung mit den Erfahrungen bedeutender Großstaaten des euro-
päischen Kontinents das Monopol des Handels und der Fabrikation dar."
In demselben soll den wirtschaftlichen wie politischen Verhältnissen Deutsch-
lands volle Rechnung getragen werden. Dem Tabakbau soll eine stetige
Weiterentwicklung ermöglicht und gesichert werden, der Produzent bleibt un-
abhängig von den Gefährdungen der Privatspekulation und findet in der
Monopolverwaltung einen stets prompten und zahlungsfähigen Abnehmer
zu vorherfestgestellten angemessenen Preisen, und tritt eine Verschärfung in