54 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 2.)
tigten Gehilfen und Arbeiter, soweit sie nicht unter B 1 bis 4 fallen.
B. Durch Ortsstatut oder, soweit auf diese Weise einem hervorragenden
Bedürfnis nicht abgeholfen wird, durch Anordnung der höheren Verwaltungs-
behörde kann der Zwang zur Krankenversicherung begründet werden: 1) für
Handlungsgehilfen und -Lehrlinge, für Gehilfen und Lehrlinge in Apotheken;
2) für die in Transportgewerben beschäftigten Arbeiter, welche nicht unter
A 1 fallen: 3) für die von Gewerbetreibenden außerhalb ihrer Betriebs-
stätten beschäftigten Personen; 4) für selbständige Gewerbtreibende, welche
in eigenen Betriebsstätten im Auftrage oder für Rechnung anderer Gewerbe-
treibender mit Herstellung oder Bearbeitung gewerblicher Erzeugnisse be-
schäftigt sind (Hausindustrie). Die Versicherung kann erfolgen: n) durch die
Gemeindekrankenversicherung; b) durch Ortskrankenkassen, welche von den
Gemeinden für sämtliche innerhalb des Gemeindebezirks in einem oder meh-
reren Gewerben beschäftigten Arbeiter zu errichten sind: c) durch Innungs-
krankenkassen; 1) durch Fabrikantenkassen; e) durch eingeschriebene Hilfs-
kassen. Der Gemeindekrankenversicherung unterliegen alle diejenigen Ver-
sicherungspflichtigen, welche nicht einer der Spezialkassen als Mitglieder an-
gehören. Jedem Versicherungspflichtigen ist von der Gemeinde, in deren
Bezirk er seit mindestens einer Woche beschäftigt ist, im Falle einer durch
Krankheit herbeigeführten Arbeitsunfähigkeit die gesetzliche Krankenunter-
stützung zu gewähren, und zwar entweder die Hälfte des ortsüblichen Tag-
lohnes neben freier ärztlicher Behandlung und zwei Dritteln der Arznei-
kosten oder zwei Drittel des ortsüblichen Taglohnes. An Stelle dieser
Leistung kann auch freie Kur und Verpflegung in einem öffentlichen Kranken-
hause treten. Der Betrag des ortsüblichen Taglohnes wird nach Anhörung
der Gemeindebehörde von der höheren Verwaltungsbehörde festgestellt. Die
Versicherungsbeiträge betragen in der Regel 1 1/2 Prozent des ortsüblichen
Taglohnes, können aber je nach Bedarf erhöht oder herabgesetzt werden.
Die Ortskrankenkassen, welche für die einzelnen Arbeiterklassen errichlet wer-
den sollen, müssen ihren Mitgliedern mindestens, außer der erwähnten
Krankenunterstützung, für den Todesfall ein Sterbegeld im 20fachen Betrage
des Krankengeldes leisten. Zu der Zahlung der Beiträge sind die Arbeit-
geber verpflichtet; dieselben sind aber berechtigt, die von ihnen eingezahlten
Beiträge auf den Lohn abzurechnen. Diejenigen Arbeitgeber, deren Arbeiter
nach dem Unfallversicherungsgesetz gegen Unfälle versichert sein müssen, haben
ein Drittel der für dieselben zur Gemeindekrankenversicherung oder zu einer
Orts- oder Fabrikkasse zu entrichtenden Beträge aus eigenen Mitteln zu
leisten (folgen Bestimmungen über die Organisation und Verwaltung der
Kassen). Die landes- gesetzlichen Vorschriften über Knappschaftskassen bleiben
mit der Maßgabe in Kraft, daß die Leistungen dieser Kassen in Krankheits-
fällen für sämtliche Mitglieder, sofern sie den Beitrag der für die Fabrik-
(Orts-) Krankenkassen vorgeschriebenen Minimalleistungen nicht erreichen,
spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach Inkraft- treten der neuen Be-
stimmungen auf diesen Betrag erhöht werden müssen.
Beides sind offenbar nur erste Entwürfe des Reichskanzlers, um
vorerst nur die Zwangsversicherung aller Arbeiter mit Ausnahme der land-
wirtschaftlichen und die Organisation derselben auf Grund des Genossen-
schaftsprinzips festzustellen. Darum fehlen auch noch die Motive dazu,
die erst später nachfolgen sollen, und eben darum ist auch das Verhältnis
der Beitragspflicht zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und (für die Un-
fallversicherung) des Staats noch vorbehalten. Der Unfallversicherungsgesetz-
entwurf ist im Gegensatz zu dem Entwurf der liberalen Gruppen wieder
auf das Prinzip der gesetzlichen Armenpflege gestützt. Daher er-
scheint auch wieder ein Staatsbeitrag und zwar im Betrage von einem