Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 2.- 3.) 55
Dritteil der auszubezahlenden Summen. Für die Krankenkassen treten die
Arbeitgeber, so weit es die Unfallversicherten betrifft, an die Stelle des
Staats und soll der dritte Teil der Beiträge von ihnen aufgebracht
werden.
2 — 3. März. (Bayern.) II. Kammer: Finanzausschuß:
beginnt die Beratung des Kultusetats mit einer Generaldebatte.
Rittler (ultram.) verteidigt die in seinem Referat (s. 31. Jannar)
aufgestellten grundlegenden Gesichtspunkte, namentlich die geforderte
Anerkennung der sog. Tegernseer Erklärung von 1821. Minister
v. Lutz lehnt dieselbe nochmals aufs entschiedenste ab, bestreitet die
Existenz eines Kulturkampfes in Bayern sowie das Vestehen tief-
greifender gerechter Beschwerden der katholischen Kirche, stellt da-
gegen eine Reihe billiger Konzessionen der Regierung, jedoch nur
innerhalb des Rahmens der Verfassung und des Religionsedikts, in
Aussicht.
In der Debatte macht zunächst Rittler (ultr.) der Staatsregierung
das Zugeständnis, daß sie nach ihrer pflichtmäßigen Überzeugung handle,
verlangt aber für sich und seine Freunde dieselbe Anerkennung, und betont
wiederholt, daß das bayerische Volk schon oft, aber vergebens seinen Willen
bei den Wahlen kundgegeben habe, und zählt dann die Beschwerden und
Vergewaltigungen, welche die katholische Kirche in Bayern unter dem Mi-
nister v. Lutz erlitten haben soll, auf: vor allem die Erklärungen des letz-
teren über die wahre Bedeutung des Tegernseer Aktenstückes, die Aufhebung
der Verordnungen von 1852 und 1854, die Einzelheiten der altkatholischen
Bewegung, Simultanschule, Lehrerbildung u. s. w. Dem dadurch geschaffe-
nen, angeblich der Gerechtigkeit und dem Recht der Kirche widersprechenden
Zustande soll nun ein Ende gemacht werden durch Wiedereinsetzung der
Kirche in das ihr nach göttlichem Rechte zukommende Herrschaftsgebiet. An
der Leitung des gesamten Unterrichts- und Bildungswesens, die Universi-
täten mit eingeschlossen, verlangt er für die kirchlichen Oberen das volle
Mitwirkungsrecht und alles in allem genommen einen Zustand, wie er in
keinem Lande der Welt existiert und mit den Grundlagen des bayerischen
Verfassungsrechtes durchaus unvereinbar ist. Die Überzeugung von der letz-
teren Tatsache erklärt denn auch die krampfhaften Versuche des Referenten,
die Tegernseer Erklärung zum Grund- und Eckstein seiner Rechtsausführungen
zu machen. Unter den Einzelklagen desselben ist hervorzuheben das
harren von Mitgliedern in der theologischen Fakultät der Universität Mün-
chen, welche der katholischen Kirche gar nicht angehören, der Gebrauch von
Schulbüchern, welche der ganzen christlichen Anschauung feindlich sind u. s. w.
Schließlich erklärt er, daß wenn die Regierung auf ihrem System beharre,
auch er und seine Freunde ihren Widerstand fortsetzen müßten und damit
der Friede im Lande noch auf Jahrzehnte vergebens ersehnt werden würde.
Korreferent Dr. v. Schauß wirft dagegen mit wenigen schlagenden Grün-
den das ganze juristische Luftgebäude des Referenten von der staatsrechtlichen
Bedeutung der Tegernseer Erklärung über den Haufen und tritt den ein-
zelnen Beschwerdepunkten Rittlers entgegen, z. B. dem stark betonten Cha-
rakter der Ingolstadt-Münchener Universität als einer katholischen mit der
Erinnerung daran, daß dieselbe 100 Jahre vor der Reformation gestiftet
worden. Bei den Wahlkämpfen habe das „Volk“ des Herrn Dr. Rittler