60 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 3—4.)
Fazit der Erfahrungen, die er im Ständehaus in München gesammelt, da-
hin gezogen: „In Bayern ist es so: Jemehr Sie einen Minister bekämpfen“
— Sie, die Ultramontanen „desto mehr befestigen Sie ihn.“ (Lachen
rechts). Ich glaube Jörg hat Recht gehabt in diesem Punkt, und die Er-
fahrungen, die Sie hier in den letzten Monaten gemacht, haben ihm Recht
gegeben. Dafür können Sie mich nicht verantwortlich machen, wenn Sie in
ihren Wahlprogrammen den -Sturz dieses Ministeriums" wiederholt ver-
kündet haben. (Widerspruch und Lärm rechts ) Ja, Sie würden sich viel
leichter tun, wenn Sie nicht dem Volke Dinge versprochen hätten, die Sie nie
und nimmer halten können. (Widerspruch und großer Lärm rechts.) Jawohl,
lesen Sie Ihre Programme! (Pfahler ruft: Wo? Wann?) Wenn ich gewußt
hätte, Herr Pfahler, daß mich Herr Kopp heute in dieser Weise provoziert,
so hätte ich einen Bündel „Wahlprogramme hereingeschleppt und Ihnen den
Beweis geliefert, daß Sie Dinge versprochen haben, die ein vernünftig denken-
der Mensch nicht halten kann. (Große Unruhe rechts. Verschiedene erregte
Zwischenrufe. Der Präsident bittet, das gegenseitige Interpellieren zu unter-
lassen, es führe nur zur Unordnung) Es war mir von Anfang an klar,
daß wir vermittelst Budgetabstriche das Ministerium nicht stürzen können,
im Gegenteil, ich habe erklärt, daß wir auf diesem Wege dem Ministerium
kein Haar krümmen, sondern bloß die materiellen Interessen unserer Wähler
schädigen werden. Wenn das Politik genannt zu werden verdient, dann
verstehe ich nicht was Politik heißt. (Pfahler ruft: Ich glaube auch!.) Eine
Partei, die seit zwölf Jahren in diesem Saale und in der Presse verkündet
hat, sie erstrebe den Sturz des Ministeriums und es nicht weiter gebracht
hat, als Sie wissen, sollte nicht immer diese Phrase in den Mund nehmen
vom Minister stürzen! Erinnern Sie Sich doch noch, vor sechs Jahren, da
machten Sie eine Adresse, die so und so beantwortet wurde. Sie haben dann
hochtrabend erklärt, Sie treiben ihre Opposition fort und zwar wie? Sie
werden, sagten Sie, nur das Allernotwendigste bewilligen, schließlich aber
haben Sie dem Ministerium mehr bewilligt als es verlangt hat. (Sehr gut!
links.) Wenn die Tatsachen sich so verhalten, dann sollte man mit Vor-
würfen gegen einen andern etwas vorsichtiger sein als Herr Kopp es ist.
Herr Kopp schüttelt den Kopf; trotzdem imponiert er mir nicht, ich fürchte
mich vor Herrn Kopp und seinen Provokationen ganz wenig. (Lachen rechts.)
Wenn man mir jetzt zum Vorwurf macht, daß ich nach dem, was ich früher
in diesem Hause erfahren habe und sagte, zur Verständigung rate, so muß
ich Ihnen sagen, daß Sie eigentlich dem gesunden Menschenverstand einen
Vorwurf machen. (Pfahler ruft etwas dazwischen.) Ich achte auf die Zu-
rufe Pfahler's nicht mehr. Ich habe den Vorzug in diesem Punkte, daß ich
dieses Wort schon vor einem Jahre ausgesprochen habe, freilich damals unter
dem Halloh Ihrer gesamten Presse. Allein mich geniert es nicht, allein zu
stehen auch in der Presse. Alterieren Sie Sich nicht; ich stehe nicht allein, das
Bedürf- nis nach einer Verständigung und nach Ruhe im Land ist viel größer,
viel intensiver, als Sie glauben! (Sehr wahr! links.) Lassen Sie es nicht, ich
gebe Ihnen mein Wort, auf eine Probe ankommen! Sie können es übrigens
darauf ankommen lassen. Unternehmen Sie einen kühnen Schritt, legen Sie
die Mandate nieder! (Gelächter rechts.) Aber eben hat Herr Kopp gesagt,
daß Sie das nicht tun wollen. Entweder — oder! Da ruft mir jemand
zu: Das Ministerinm soll die Kammer auflösen! Ja, Sie können das Mini-
sterium zwingen und hätten es können, wenn Sie den Mut dazu gehabt
hätten. (Lärm rechts.) Man muß die Dinge nehmen, wie sie in Wirklich-
keit liegen, nicht wie man sich dieselben einbildet. Ich bin erstaunt, daß
man eine Verständigung perhorresziert, nachdem im Finanz- ausschusse die
Herren Dr. Daller und Dr. Rittler doch auch so ziemlich im Sinne einer